Gewinnertypen unter den Plusenergie-Häusern.

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Mitsubishi Electric
Im Effizienzhaus mit seiner hochgedämmten Gebäudehülle reicht eine Außenluftwärmepumpe für die Wärmeversorgung. Foto: Mitsubishi Electric

Häuslebauer tun gut daran, anstatt nur an die nächsten Jahre an die nächsten Jahrzehnte zu denken. In denen ein hoher Energieverbrauch zur schweren Hypothek werden kann. Aber – warum soll ein Haus überhaupt noch Energie verbrauchen, wenn es in der Bilanz sogar ein Plus machen kann?

Nachdem die erste Testphase des von Werner Sobek entworfenen „BMUB-Effizienzhauses Plus” in Berlin mit großem Medienecho abgeschlossen werden konnte, wird es nun seit Mai 2014 von einer zweiten Familie bewohnt und erprobt. Die Initiatoren des öffentlichen Experiments, das im Rahmen eines bundesweiten Forschungsprojekts zu Wohnkraftwerken stattfindet („Forschungsinitiative Zukunft Bau”, siehe Kasten „Infos”), sind mit dem Zwischenergebnis zufrieden, die Botschaft kam rüber: Ein Einfamilienhaus kann im Jahresmittel mehr Energie erzeugen, als seine Bewohner verbrauchen. Und in den Musterhauszentren stellen die Aussteller reges Interesse an der Plus-Energie-Idee fest.

WeberHaus
Ins Plus kommt dieses Musterhaus mit einer 10,8-Kilowatt-Solaranlage auf Dach, Pergola und Garage. Foto: WeberHaus

Schnell schwarze Zahlen
Gemäß der offiziellen Definition des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) ist ein Effizienzhaus Plus eines mit „negativem Bedarf”, muss im Jahresmittel sowohl an Endenergie als auch an Primärenergie mehr erzeugen als verbrauchen (zu End- und Primärenergie: siehe Kasten „Infos”). Es ist keine Kunst, rein rechnerisch ins Plus zu kommen, in beiden Sparten. Die Energieerzeugung übernimmt üblicherweise die Photovoltaik-Anlage und der fällt es nicht schwer, im Jahr weit mehr Kilowattstunden zu liefern, als selbst ein nur nach den Mindestvorgaben der Energie-Einspar-Verordnung (EnEV) gebautes Haus benötigt, vorausgesetzt, die Module haben das Süddach für sich.

WeberHaus
Für die Wärmeversorgung ist die Kompaktheizzentrale zuständig, die Lüftungsanlage und Wärmepumpe enthält. Foto: WeberHaus

Schönheitsfehler
Theoretisch könnte man nun unsere komplette Energieversorgung dezentralisieren, indem man jedes Haus zum Versorger macht und sie alle über ein Energie-Internet verbindet, so die Vision zum Beispiel eines Jeremy Rifkin. In der Praxis, wenden Kritiker ein, bleibe ein Wohnkraftwerk derzeit im Winter auf Netzstrom angewiesen, und der sei leider, dank Förderung der Kohlekraftwerke, alles andere als sauber und CO2-frei; für die saubere Energie vom eigenen Dach bekomme man zudem nach den drastischen Kürzungen der letzten Jahre nur noch eine schmale Vergütung. Dieser Falle jedoch kann man durch die Senkung des Energiebedarfs und die Erhöhung des Eigenverbrauchsanteils am erzeugten Solarstrom entgehen. Das Problem des hohen Wärmebedarfs im Winter entschärft man mit optimalem Wärmeschutz, den Stromverbrauch hält man mit LED-Beleuchtung und Geräten der höchsten Effizienzklassen klein und bescheiden. Um so wenig Solarstrom wie möglich gegen schlechtes Geld abgeben zu müssen, nutzt man ihn wo und wann immer möglich selber, auch zeitversetzt, durch Verwendung eines Batteriespeichers.

Ingenieurbüro Miller
Das MüPEG, das „Münnerstädter Plusenergiegebäude“, wurde vom Ingenieurbüro Miller als Passivhaus geplant. Foto: Ingenieurbüro Miller

Minimaler Wärmebedarf
Unter Plus-Energie-Pionieren redet man gerne vom „Aktivhaus”, hält eher wenig von der Passivhausbauweise. Der erstklassige Wärmeschutz von Passivhäusern allerdings bedeutet, dass sie sogar in der kalten Jahreszeit oft von nichts als der Abwärme ihrer Bewohner, der Hausgeräte und von den durch die Fenster einfallenden Sonnenstrahlen beheizt werden. Architekt und Energieberater Andreas Miller, dessen MüPEG, das „Münnerstädter Plusenergiegebäude”, Teil der Forschungsinitiative ist, setzt als bisher einziger im Projekt konsequent auf genau diese Bauweise. Sein Wohnhaus mit integriertem Büro ist eine Holzrahmenkonstruktion, ­verfügt über eine bis zu 40 Zentimeter starke Außendämmung aus Zellulose und Holzweichfasern. Eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung und eine „Mini-Wärmepumpe” sowie die passiven solaren Gewinne sorgen für Behaglichkeit. 2013/14 habe der Energiebedarf unter, der Ertrag der monokristallinen Solarmodule auf dem Pultdach deutlich über den Prognosen gelegen.

Ingenieurbüro Miller
Mit dem reichlich anfallenden Solarstrom vom Pultdach wird unter anderem das Elektroauto des Ingenieurbüros betankt. Foto: Ingenieurbüro Miller

Passivhaus als Basis
Ein entscheidender Vorteil dieses Haustyps sei, dass es ihn und damit alle Berechnungsverfahren schon seit 20 Jahren gebe, auf seiner Basis könne Plus-Energie sofort überall verwirklicht werden, zu überschaubaren Mehrkosten. Miller: „Jedes Passivhaus kann ohne Schwierigkeiten zum Aktivhaus werden.” Neben dem Bewährten darf man aber ein Auge auf die Forschungsprojekte haben, bei denen wirklich Prototypen zum Einsatz kommen. Von Sobeks Berliner Leuchtturmprojekt war ein bayerischer Baustoffhersteller derart ­begeistert, dass er in Deggendorf ein Plus-Haus mit Photovoltaik-Anlage, Batteriespeicher, Solarthermie-Kollektoren sowie einem 9.200 Liter fassenden Solar-Warmwasserspeicher errichten ließ. Wäre er zu bekommen gewesen, hätte man als weiteren Stauraum für die produzierte Energie gerne noch einen Druckluftspeicher getestet, so Architekt Peter Kemper aus Passau. Man sieht, in Sachen Plus-Energie gibt es weiter Neuland zu entdecken. Doch der Stand der Technik bietet schon heute alles Nötige, um als Häuslebauer zum Energieversorger zu werden.

Karl Bachl Hoch- und Tiefbau
Das Deggendorfer Plus-Energiehaus aus Betonfertigelementen, mit Solarthermie und Solarstromanlage: Forscher der Hochschule Regensburg überwachen derzeit Energieproduktion und -verbrauch. Foto: Karl Bachl Hoch- und Tiefbau

Endenergie und Primärenergie:
Unter Endenergie versteht man die im Haus gemessenen Kilowattstunden, ob in Form von Wärme oder Strom, ob erzeugt oder verbraucht. Primärenergie ist streng wissenschaftlich gesehen Energie in Rohform, wie sie in den Energieträgern Öl, Gas, Kohle, Uran, Holz, Wind, Sonne steckt. In der Energiebilanz eines Hauses ist Primärenergie die Endenergie zuzüglich der sogenannten Vorkette, der Kilowattstunden, die aufgewendet werden müssen, um die Endenergie dem Verbraucher bereitzustellen, z. B. im Zuge von Förderung, Aufbereitung, Transport. Angerechnet wird in der EnEV, der Energie-Einspar-Verordnung, allerdings nur der nicht erneuerbare, umweltschädigende Teil, der in der Bereitstellung steckt, also der aus fossilen Brennstoffen und aus Uran.

Effizienzhaus Plus:
Noch ist das „Effizienzhaus Plus” kein Förderstandard der KfW, soll es aber in absehbarer Zeit werden. Der Wärmeschutz der bisher gebauten Plus-Häuser liegt auf einem Niveau zwischen dem des KfW-Effizienzhauses 40 und dem des Effizienzhauses 55. Das BMUB beziffert die Mehrkosten für diese Bauweise zuzüglich der erforderlichen Anlagentechnik (Lüftungsanlage, Photovoltaik, Batteriespeicher, Automatisation zwecks Energiemanagement usw.) derzeit mit 230 bis 325 €/qm. Dem ständen aber stark verminderte Betriebskosten gegenüber. Aufgrund der gesunkenen Vergütung für Solarstrom empfehle es sich, einen hohen Eigenverbrauch anzustreben.

Die BMUB-Broschüre „Wege zum Effizienzhaus Plus” bekommt man beim Publikationsversand der Bundesregierung, Postfach 48 10 09, 18132 Rostock, Tel.: 0 30/1 82 72 27 21, Fax: 0 30/1 81 02 72 27 21, E-Mail: publikationen@bundesregierung.de, Internet: www.bmub.bund.de/bestellformular

 

Weitere Info-Adressen:

www.forschungsinitiative.de – Website der „Forschungsinitiative Zukunft Bau”, informiert über Konzept und Technik des Effizienzhauses Plus, über das Berliner Sobek-Haus und die übrigen Objekte der Forschungsinitiative www.plusenergie.de – Website des Freiburger Solararchitekten und Plusenergie-Pioniers Rolf Disch www.fertighauswelt-koeln.de sowie www.fertighauswelt-wuppertal.de – Internetseiten zweier Musterhauszentren mit Plus-Energiehäusern.