
Die Idee des Passivhauses klingt für manche heute noch verrückt – eines Gebäudes, das keine Heizung braucht, weil es so gut wie keine Wärme verliert. Aber sie funktioniert seit mehr als 20 Jahren und wird bald den Mindeststandard darstellen.
Auf dem frisch überarbeiteten Energieausweis für Neubauten und modernisierte Altbauten wird jetzt auch die jeweilige Effizienzklasse vermerkt, wie bei Waschmaschinen oder Autos. Grundlage ist der Bedarf an Energie für Heizung und Warmwasserbereitung, der „Endenergiebedarf”. Ganz links, im tiefgrünen Bereich des bekannten Bandtachos, findet man die Klasse „A+” – Häuser, die es bis hierhin schaffen, sind sehr oft Passivhäuser. Die dürfen rein rechnerisch laut Definition des Darmstädter Passivhaus Instituts e.V. nicht mehr als 15 kWh Heizenergie pro Jahr und Quadratmeter verbrauchen.

Wir sind die Heizung!
15 Kilowattstunden, so viel steckt in 1,5 Litern Öl, in 1,5 Kubikmetern Gas oder 3 Kilogramm Holzpellets – ein herkömmliches Einfamilienhaus bekommt man erst mit dem Vier- bis Sechsfachen warm und wohnlich, einen durchschnittlichen Altbau vielleicht mit dem Zehnfachen. Auf Raumheizung kann theoretisch verzichtet werden, die Abwärme der Bewohner, die der Elektrogeräte und passive solare Gewinne genügen in der Regel, daher der Begriff „Passivhaus”. Es wird ab 2021 de facto EU-weit den Mindeststandard im Neubau markieren.

Wie von diesem nach dem Schweizer Minergie-P-Standard errichteten Haus, das mit knapp 30 kWh/(m2a) auskommt. Foto: SchwörerHaus
Kein unrealistisches Ziel, da lediglich schon bekannte Verfahren umgesetzt werden müssen, nur mit früher schwer vorstellbarer Gründlichkeit. Nach dem Piratenmotto aus „Fluch der Karibik” – „Nimm, was du kriegen kannst, und gib nichts wieder zurück!” – wird in den Innenräumen so viel Wärme wie möglich gehortet und ihr das Entkommen so schwer wie möglich gemacht. Menschen sind als Heizquellen nicht zu verachten, ebenso wenig wie zum Beispiel Computer oder Drucker. Dritte Quelle sind die durch die Fenster einfallenden Sonnenstrahlen: Das Gebäude wird im Süden, im Osten und Westen mit großen Fensterflächen versehen, im Norden dagegen mit sparsamer oder gar keiner Verglasung.

wenige, kleine Fenster. Foto: SchwörerHaus
Optimaler Wärmeschutz im Passivhaus
Diese Gewinne gilt es festzuhalten. Dämmstoffe, großzügig eingesetzt, oder dämmende Wandbaustoffe verzögern die Abgabe von Strahlungswärme, daneben Dreifach-Scheiben-Fenster, hochisolierte Türen und zahlreiche Speziallösungen für die kritischen Stellen, die Wärmebrücken, etwa Rollladenkästen oder Anschlüsse von Balkonen an den Baukörper.
Hilfreich ist eine kompakte Bauform, ohne Erker, Gauben, Vorsprünge, denn sie bedeutet wenig abstrahlende Außenfläche im Verhältnis zum Wohnraum.

über 90 % möglich). Foto: Baufritz
Der warmen Luft wird der Ausweg über Fugen und Ritzen mit durchgehenden Innenputzen, mit Folien oder OSB-Platten sowie mit Dichtbändern versperrt. Stattdessen wird sie von der Lüftungsanlage abgesaugt und muss im Wärmetauscher, bevor sie entlassen wird, ihre Energie größtenteils auf die einströmende Frischluft übertragen. Die wird in die Wohnräume geleitet, gegebenenfalls noch nachgeheizt (Zuluftheizung), und sorgt dort für angenehme Temperaturen. Für Raumheizung plus Warmwasserbereitung würde eine kleine Wärmepumpe reichen, auch eine Kompaktanlage aus Lüftung, Abluft-Wärmepumpe und Speicher kann infrage kommen. Ein kleiner Pellet-Kaminofen mit Speicheranschluss und mit Solarunterstützung durch Kollektoren auf dem Dach ist ebenfalls sinnvoll, die Warmwasserbereitung kann dann im Sommer allein mit Sonnenkraft erfolgen.

Standard festschreiben
Entgegen einem hartnäckigen Gerücht darf man jederzeit die Fenster öffnen. In der kalten Jahreszeit jedoch entsteht aufgrund der guten Luftqualität kaum je das Bedürfnis danach. Die warmen Innenseiten der Außenwände verhindern Schimmelbefall, die Energiekosten sind verglichen mit einem konventionellen Gebäude minimal. Sofern man denn nach Fertigstellung wirklich in ein Passivhaus zieht: Da die Bezeichnung nicht geschützt sei, warnt der VPB, der Verband Privater Bauherren e.V. müsse der Auftraggeber den Hersteller oder das Bauunternehmen vertraglich auf den „Passivhaus-standard” sowie auf die entsprechenden Verbrauchs- beziehungsweise Bedarfswerte festlegen.

Was dieser Standard leisten kann, hat Dr. Burkhard Schulze Darup, Effizienzhaus-Experte und Fachbuchautor, auf der Messe IFH im April in Nürnberg am Beispiel eines von einem Kollegen geplanten Einfamilienhauses gezeigt: „Wenn die drei Kinder jeweils ihre leistungsstarken PCs durchlaufen lassen, reicht das zum Heizen im Winter schon fast aus.” Teelichter, etwa 16 Stück, würden es ebenso tun. Und im Sommer? „Passivhäuser sind auch im Sommer günstiger, weil die Hülle weniger Wärme nach innen lässt. Voraussetzung ist aber, dass die Fenster über eine funktionierende Verschattung verfügen.” Und dass die Indoor-Kraftwerke sich zurückhalten. Also doch lieber LEDs anstatt den guten, alten Glühbirnen ein – setzen – zum Haus der Effizienzklasse A+ passt Technik der Klasse A++ Oder darüber.

Das sagt der BWP
Im Bundesverband Wärmepumpe (BWP) e.V. sind Handwerker, Planer und Architekten, Bohr firmen, Heizungsindustrie und Energieversorgungsunternehmen organisiert, die sich für den verstärkten Einsatz effizienter Wärmepumpen engagieren. Unter www.waermepumpen.de beantworten die Experten des BWP Detailfragen zum Thema, aber auch allgemeinere. Wie die folgende:
„Lohnt sich eine Wärmepumpe im Passivhaus?”
Karl-Heinz Stawiarski, Geschäftsführer des Bundesverbandes Wärmepumpe (BWP) e. V.: „In Passivhäusern kann eine hocheffiziente, mit einer Wärmepumpe kombinierte Lüftungstechnik sogar das Wasser führende Heizverteilsystem ersetzen. Solche ‚Kombioder Integralgeräte’ verbinden die geregelte Be- und Entlüftung mit einer Luft/Luft-Wärmepumpe. Diese nutzt die Restwärme der abgeführten Luft, um an kalten Tagen die Frischluft aufzuheizen. Die Wärmepumpe kann das Temperaturniveau zudem so weit heben, dass sie auch das Trinkwasser erwärmen kann. Gerade bei Häusern mit anspruchsvollen Dämmstandards sollte man immer auch an den Kühlbedarf denken, denn dieser übersteigt oft schon im Frühjahr den Heizbedarf. Wärmepumpen, die ja dem Prinzip nach wie ein Kühlschrank funktionieren, bewältigen auch diese Aufgabenstellung besonders energiesparend. Die durch die Kühlung frei werdende Energie kann die Anlage beispielsweise zur Trinkwassererwärmung nutzen.”
Infos
Passivhaus – Definition
Heizenergiebedarf: höchstens 15 kWh/(m²a);
Primärenergiebedarf: höchstens 120 kWh/(m²a) (weit niedrigere Werte sind heute möglich);
U-Werte Außenwände: höchstens 0,15 W/(m²K) (0,10 0,15 W/(m²K) sind jedoch nicht mehr ungewöhnlich);
U-Werte Fenster: höchstens 0,80 W/(m²K);
Wärmerückgewinnungsgrad der Lüftungsanlage: mindestens 75% Planung und Kontrolle Vorbereitung: gebaute Beispiele kann man sich auf passivhausprojekte.de ansehen; einige Haushersteller bieten Probewohnen im Passivhaus an. Auf der sicheren Seite ist man als Bauherr mit erfahrenen Planern, die das vom Darmstädter Passivhaus Institut entwickelte PHPP, das „Passivhaus-Projektierungspaket”, zur Berechnung nutzen und vom Institut zertifizierte Bauteile und Komponenten (Wandsysteme, Fenster, Türen, Lüftungsanlagen usw.) einsetzen.
Kontrolle: Der Blower-Door-Test zu Feststellung der Luftdichtheit (vor Beginn des Innenausbaus!) muss zum Leistungsumfang gehören. Ratsam ist darüber hinaus Baubegleitung durch einen unabhängigen Gutachter, der vor allem die sorgfältige Erstellung der luft- und wärmedichten Haushülle zu überwachen hat.
Haustechnik
Lüftungsanlage: Auslegung und Planung unter Berücksichtigung des Raumvolumens und des Grundrisses; ist der Volumenstrom korrekt eingestellt, sollte es weder zu Zugerscheinungen noch zu Lufttrockenheit kommen (Anlagen mit Enthalpie-Wärmetauscher führen einen Teil der Feuchte aus der Abluft, durch eine Membran auf die Zuluft übertragen, gefiltert und keimfrei, wieder dem Wohnraum zu); der Betrieb mit CO2-Mess-Einheit verbessert Effizienz und Luftqualität. Ein Sommer-Bypass verhindert in der heißen Jahreszeit Wärmeübertragung auf die Frischluft. Alternativ werden die Anlage abgestellt und die Fenster geöffnet (nachts).
Öko-Tipp: Wer eine Wärmepumpe wählt, kann den Strom dafür teils mit Photovoltaik erzeugen. Kosten und Förderung Mehrkosten gegenüber konventioneller Bauweise bei optimierter Planung: um die 5 % Förderung durch die KfW in Form eines zinsgünstigen Kredits, im Rahmen des Programms 153 „Energieeffizient Bauen” (www.kfw.de) durch die EthikBank eG®, sofern ökologische Baustoffe und Techniken zur Nutzung erneuerbarer Energien eingesetzt werden, Stichwort „ÖkoBaukredit”
Infos allg. zu Fördermöglichkeiten: www.foerderdatenbank.de (Bundesministerium für Wirtschaft und Energie), www.energiefoerderung.info (BINE Informationsdienst und dena – Deutsche Energie-Agentur GmbH), www.baufoerderer.de (Verbraucherzentralen), www.foerderdata.de (Unternehmen der Baubranche)