
Unsere Art zu bauen und zu wohnen bringt einen hohen Verbrauch von Ressourcen mit sich. Das muss nicht so sein. Man kann sein Haus so planen, dass es die Bewohner und die Welt intakt hält.
Mal sind sie „ökologisch“, dann „wohngesund“, dann „nachhaltig“, dann alles zusammen. Fröhlich werden die Begriffe durcheinander gewirbelt, sollen Häuser an den Mann, an die Frau gebracht werden. Dieses Durcheinander hat System, die Marketing-Abteilungen interessiert nur eines: der verkaufsfördernde Wohlklang. Und der schwammigste Begriff von allen ist daher wohl ihr Liebling, die „Nachhaltigkeit“.

Wer hat’s erfunden?
Da ist die Definition des RNE, des Rates für Nachhaltige Entwicklung, in ihrer Trockenheit und Klarheit schon fast provozierend: „Nachhaltige Entwicklung heißt, Umweltgesichtspunkte gleichberechtigt mit sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu berücksichtigen. Zukunftsfähig wirtschaften bedeutet also: Wir müssen unseren Kindern und Enkelkindern ein intaktes ökologisches, soziales und ökonomisches Gefüge hinterlassen.

Das eine ist ohne das andere nicht zu haben.“ Nicht mehr schwammig, nur so umfassend, dass einem schwindlig werden könnte. In überschaubarerem Rahmen gedacht hat noch Hans Carl von Carlowitz, der als der „Erfinder“ des Konzeptes gilt. Im Jahre 1713 bemerkte er in seinem Buch zur Forstwirtschaft, dass man sich hüten solle, mehr Holz einzuschlagen und zu verbrauchen, als im gleichen Zeitraum nachwachsen könne, er empfahl dringend die „nachhaltende Nutzung“. Nichts als gesunder Menschenverstand, wenn man so will, der aber heute die globale Perspektive einnehmen muss.

Vom Ende her
Auch Hausbau kann Raubbau sein. Das Baumaterial muss energieaufwendig hergestellt und transportiert werden (das heißt: in ihm steckt „graue Energie“), das Gebäude versiegelt wichtige Sickerfläche, der Bau selber verschlingt Energie, und anschließend sind es die Bewohner, die Energie verbrauchen. Und eines Tages, wenn es renoviert oder abgerissen wird, kann eine Menge Schutt anfallen. Die Baubranche ist angeblich für die Hälfte des landesweiten Abfallaufkommens verantwortlich. Wer es ernst meint mit d er Nachhaltigkeit, muss über sein Haus hinaus denken, oder es „vom Ende her denken“, wie es Reimund Stewen vom Verband Privater Bauherren e.V. (VPB) ausdrückt. „Das wirklich nachhaltige Haus lässt sich zum Schluss wieder in seine Bestandteil e zerlegen…“, so Stewen, Holz oder Stahl würde er daher den Verbundstoffen vorziehen.

CO2-Fußabdruck
Neben der Recyclingfähigkeit gibt es jedoch so einige weitere Kriterien, die eine Rolle spielen. 40 kennt dieDGNB, die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen, und zertifiziert nach ihnen Gebäude, auch Einfamilienhäuser, verleiht nach Prüfung dem Ergebnis entsprechend ihre Zertifikate, in Bronze, Silber, Gold und neuerdings in Platin. Logisch, dass die Energiebilanz in der Zeit der Nutzung dazu gehört. Hier haben die Passivhäuser, Null-Energie- und natürlich die Plusenergie-Häuser gute Chancen. Letztere, mit Photovoltaikanlagen und Batteriespeichern versehen, können theoretisch ihren CO2-Fußabdruck auslöschen, ihr schon vor der Einweihung belastetes Emissionskonto bereinigen. Je nach Baustoff sind ja mit der Herstellung kleinere oder größere Mengen an Kohlendioxid-Emissionen entstanden, kleine bis unbedeutende bei Holz, größere bei Ziegeln oder Beton.

In der Sonne
„Lage, Lage, Lage“ lautet das Mantra der Makler: dieser Faktor darf tatsächlich nicht unterschätzt werden. Auf einem verschatteten Grundstück kann die beste Solartechnik nichts ausrichten, und die so bedeutenden „passiven solaren Gewinne“, die Wärmegewinne durch Sonneneinstrahlung über die Fenster, entfallen oder sie fallen mager aus.

Liegt andererseits das Haus draußen auf dem Land, umgeben von sattem Grün, und noch dazu in der Sonne, kann das trotzdem zu Punktabtzug führen, weil die Bewohner eventuell nur mit ihren PKWs Schule, Ärzte, Lebensmittelladen erreichen. Andererseits fließt auch eventueller Verkehrslärm oder Lärm aus einer sonstigen Quelle, etwa einer Fabrik, negativ in die Bewertung mit ein. Denn er kann die Wohnqualität erheblich mindern.

Gebäudemanagementsystem. Foto: Bien-Zenker
Wohngesundheit
Nicht nur aus Gründen der Energieersparnis muss für eine gute Dämmung gesorgt sein. Sie ist ebenso wichtig für die Behaglichkeit, die es nur bei warmen Innenseiten der Außenwände geben kann. Es sollten grundsätzlich nur unbedenkliche und allergenfreie Materialien eingesetzt werden, am besten Lehm, Kalkputz oder andere mineralische Baustoffe. Denn Wohngesundheit ist untrennbarer Bestandteil der Nachhaltigkeit, hat im Zweifelsfall Vorfahrt vor anderen Aspekten. Wenn ein Material zwar aus nachhaltiger Produktion stammt, aber ein Allergen enthält auf das einer der Bewohner reagiert, kommt es nicht infrage. Aus manchen Hölzern treten zum Beispiel vermehrt Terpene aus.

Weichenstellung
Unsere heutige Lebensweise ist das Gegenteil von nachhaltig, soviel dürfte klar sein, und es sehen immer mehr Menschen die Notwendigkeit ein, etwas dagegen zu tun. Schließlich ist jeder von uns Verbraucher, Käufer, Konsument, rund um die Uhr, und kann mit jeder einzelnen seiner Entscheidungen etwas Gutes bewirken. Mit dem Fahrrad in die Stadt, nicht mit dem Auto, den Thunfisch im Regal lassen – und so weiter. Irgendwann allerdings steht vielleicht eine Entscheidung an, mit der man sich für Jahrzehnte auf einen bestimmten Lebensstil festlegt. In den eigenen vier Wänden. Die sollte man mehr als alle anderen mit Bedacht treffen.
