Plusenergie-Haus als Stromversorger.

1492
Ein Plusenergie-Haus baut man für sich – und für den Klimaschutz.
Foto: Bien-Zenker

Ein Plusenergie-Haus baut man für sich – und für den Klimaschutz. Denn mit dem Solarstrom vom Dach betreibt man Heizung und Hausgeräte, betankt sein Elektroauto und versorgt nebenbei die Allgemeinheit mit, alles sauber und CO2-frei.

Kompaktes Plus-Haus.
Kompaktes Plus-Haus: mit ins Dach integrierter Photovoltaik, Lüftungs-Anlage mit Sole Erdwärmetauscher, Batteriespeicher und Lademöglichkeit für Elektroautos. Foto: SchwörerHaus

Anfang April hat die KfW einen neuen Förderstandard ins Leben gerufen, der sich auf den ersten Blick nicht sonderlich von den bereits eingeführten unterscheidet: das „KfW-Effizienzhaus 40 plus“. Nein, es darf nicht etwa mehr verbrauchen als das bekannte „Effizienzhaus 40“ (Energiebedarf: höchstens 40 Prozent eines „normalen“ Gebäudes) – der kleine, unscheinbare Zusatz steht für einen gewaltigen Schritt nach vorne. Das „40 plus“ schluckt nicht nur Energie, es erzeugt sie auch, umweltfreundlich, sauber, und zwar derart viel, dass es in der Jahresbilanz in die schwarzen Zahlen kommt.

Mit dem Sonnenstrom kann man über Nacht das Elektroauto laden.
Wandhängender Lithium-Ionen-Stromspeicher „Powerwall“ mit einer Ladekapazität von 6,4 Kilowattstunden: Mit dem Sonnenstrom kann man so über Nacht das Elektroauto laden. Foto: Tesla Motors

Energiesammler

Das erste bewohnbare Kraftwerk wurde 1994 von dem Freiburger Solar­architekten Rolf Disch errichtet, er hält die Rechte an der Bezeichnung „Plusenergiehaus®“. Mit ihm wurde ein Bauherr erstmals zum Verbraucher-Erzeuger, zum „Prosumenten“.

In ihrem großzügigen Bungalow wollte die Bauherrschaft auf nichts verzichten.
Big is beautiful: In ihrem großzügigen Bungalow wollte die Bauherrschaft auf nichts verzichten … Foto: Panasonic

Längst ist Disch nicht mehr der einzige, der so ehrgeizig baut, die Plusmacher füllen Musterhaus-Ausstellungen. Gerade das Einfamilienhaus hat hierbei gegenüber Großgebäuden einen Vorteil (der einmal ein Handicap war), seine im Verhältnis zum Rauminhalt, zum umbauten Raum größere Außenfläche. Über die kann es mehr Wärme verlieren, kann aber zugleich mehr Solarenergie gewinnen.

Die Photovoltaikanlage fährt im Jahr 15.000 Kilowattstunden ein.
… und auch die Photovoltaikanlage durfte größer ausfallen. Sie fährt im Jahr 15.000 Kilowattstunden ein. Foto: Panasonic

Verluste klein halten

Ein durchgehend besonntes Süddach reicht dabei in der Praxis völlig für ­eine satte Jahresproduktion. Photovoltaikanlagen sind außerdem in den letzten Jahren um einiges güns­tiger und leistungsfähiger geworden. Nun müssen noch die Verluste in Grenzen gehalten werden. Wärmeverluste ­bekommt man mit den ­heutigen Fenstern, Türen, Dämm­stoffen und Dämmverfahren jedoch gut in den Griff. Sparsame A+++-Hausgeräte und hocheffiziente Beleuchtung ­entlasten das Energiekonto ­weiter, ein intelligentes Energiema­nage­ment-System, Teil der Hausautoma­tisierung, passt darauf auf, dass ­Heizung, Solaranlage, Fenster und Verschattung mit- und nicht gegen­einander arbeiten.

Die Außenluft-Wärmepumpe kann teils mit Solarstrom betrieben werden.
Die Außenluft-Wärmepumpe kann teils mit Solarstrom betrieben werden, dient über die Fußbodenheizung zum Heizen und im Sommer zum Kühlen. Foto: Panasonic

Hohe Erträge durch das Plusenergie-Haus

Da letztlich die Jahresbilanz zählt, kann ein hoher Ertrag einen hohen Bedarf ausgleichen. Karin und Heinz Jörg Göbert jedenfalls wollten sich in ihrem Bungalow in Rüsselsheim einen gewissen Komfort leisten, und zu dem gehörte für sie unter anderem ein Swim-Spa mit Gegenstromanlage. Das Ehepaar hat einen Jahresverbrauch von 10.600 Kilowattstunden errechnet, bekommt allerdings im Gegenzug gute 15.000 herein, durch eine großzügig dimensionierte Photovoltaikanlage auf dem Flachdach, von der Straße aus nicht zu sehen, verborgen hinter der hohen Attika. Mithilfe eines Lithium-Ionen-­Speichers können Göberts ein gutes ­Drittel selber nutzen, den Rest ­speisen sie ins Netz ein.

So sieht ein Energiedach aus.
So sieht ein Energiedach aus: Mit den Kollektoren, oben am First, werden Heizung und Warmwasserversorgung zu zwei Dritteln solar bestritten, die Solarmodule darunter liefern den klimafreundlichen Strom. Foto: Sonnenhaus Institut

Solare Wärme

Anders gingen Anke Schuster und Dr. Gerd Schuster im bayrischen Oberschleißheim die Sache an. Die Architektin entwarf ein Drei-Generationen-Domizil, in dem die Groß­eltern im barrierefreien Erdgeschoss leben, sie und ihr Mann im ersten Obergeschoss, ihre beiden Kinder ­unterm Dach. Aber unter was für ­einem Dach: die Südseite ist pures Kraftwerk, 45 Quadratmeter gehören den Solarkollektoren zur Wärmeerzeugung, der Rest den Solarmodulen zur Stromgewinnung, die fast acht Kilowatt Spitzenleistung bringen. ­Neben dem Treppenhaus befindet sich ein 9.360 Liter fassender und drei Meter hoher Pufferspeicher. Zu 60 Prozent übernimmt die Sonne die Wärmeversorgung. Mitgeplant hat dieses Gebäude Georg Dasch vom Straubinger „Sonnenhaus Institut“, einem Zusammenschluss von Solar-Architekten und -Ingenieuren. Dort hat man lange die Solarwärme bevorzugt, die viel ein­facher zu speichern ist als Strom, im billigsten und ungefährlichsten ­Medium überhaupt – Wasser. Hat sich aber mittlerweile auch der Photovoltaik geöffnet, schließlich ist auf nahezu jedem Dach Platz für beides.

Der Wintergarten sammelt Sonnenwärme in der kalten Jahreszeit.
Sammelt willkommene Sonnenwärme in der kalten Jahreszeit, kann bei Bedarf mit Raffstores verschattet werden: der Wintergarten Foto: Sonnenhaus Institut

Geben und nehmen

Die Neuausrichtung hat einen Grund. Strom ist schnell. Er erlaubt den Transport von Wind- und Sonnenenergie, von Energie aus Erdwärme über große Entfernungen. Wind und Sonne seien etwas „divenhaft“, so drückte es Dr. Burkhard Schulze ­Darup, Experte für energieeffiziente Architektur aus Nürnberg neulich in einem Interview mit dem Bundesverband Wärmepumpe aus. Theoretisch kein Problem, denn in einem flächendeckenden Stromnetz, in dem jedes Gebäude sowohl Empfänger als auch Erzeuger sein kann, lässt sich augenblicklich Verteilungsgerechtigkeit ­herstellen. Je mehr dabei mitmachen, desto besser, beim Erzeugen und beim Verbrauchen, nicht nur in den eigenen vier Wänden.

LED-Beleuchtung und sparsame Hausgeräten
Mit LED-Beleuchtung und sparsamen Hausgeräten der Effizienzklasse A+++ ist man schneller im Plus. Foto: FischerHaus

Schusters laden mit ihrem Hausstrom zusätzlich einen Hybridwagen, ein Elektrofahrzeug mit Range Extender, den sie jedoch so gut wie nie ein­setzen müssen. „Die täglichen Fahrstecken liegen zwischen 60 und 100 Kilometern …“, so Dr. Schuster. Und relativiert damit den Haupteinwand gegen Elektromobilität, den der ­angeblich zu geringen Reichweiten. ­Untersuchungen über unseren ­Fahralltag bestätigen das. „Die Energiewende ist elektrisch“ ist Dr. Schulze Darup überzeugt, und zur Energiewende gehört die CO2-freie Mobilität. Noch sind die Ladesta­tionen dünn gesät, und dennoch kommen die E-Mobilisten Umfragen zufolge gut zurecht, genießen das Fahrgefühl im Stromer, freies Parken in vielen Innenstädten und hier und da das Aufladen zum Nulltarif, nicht zu vergessen die zehn Jahre ohne Kfz-Steuer.

Wärmeschutz in Passivhausqualität ist eine wichtige Zutat zum Plusenergie-Haus.
„Dämmkritiker“ werden es nicht gerne hören: Wärmeschutz in Passivhausqualität ist eine wichtige Zutat zum Plusenergie-Haus. Foto: FischerHaus

Erfolgsgeschichte

In der Baubranche beklagt man ­regelmäßig die zu hohen und ständig weiter verschärften energetischen Anforderungen in Verordnungen und Förderrichtlinien, nicht zuletzt denen der KfW. Unwirtschaftlich ­seien sie, unsinnig und unrealistisch. Unge­achtet der Tatsache, dass es hierzulande gelungen ist, innerhalb von 40 Jahren den Energiebedarf von Gebäuden um den Faktor Fünf zu senken. Ökologisch denkende Architekten dagegen sahen das Einfamilienhaus immer schon als Umweltbelastung. Es versiegele Bodenfläche, die als ­Sickerfläche fehle, verschlinge zu ­viele Kilowattstunden aus Öl, Gas, Kohle, um viel zu wenig Wohnraum zu beheizen, schade so dem Klima. Es nehme der Natur etwas weg. Die Plusenergie-Häuser wären dann die ersten, die ihr etwas zurückgeben.

Diese Villa blickt auf den Gardasee, der Energiebedarf entsteht in der Hauptsache durch Klimatisierung im Sommer.
Diese Villa blickt auf den Gardasee, der Energiebedarf entsteht in der Hauptsache durch Klimatisierung im Sommer. Gedeckt wird er zum Teil durch die Solarstromanlage auf dem Flachdach. Foto: Eileen Meyer Architetto

Infos

Planung:
Nach dem BMUB, dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, muss ein „Effizienzhaus Plus“ einen negativen Endenergie- und einen negativen Primärenergiebedarf haben. Die Endenergie umfasst alle Kilowattstunden, die im Haus tatsächlich ankommen, ob in Form von Öl, Gas, Strom, Holz, um dort verbraucht zu werden. Primärenergie ist die Endenergie zuzüglich der fossilen Energie, die unterwegs ­verloren ging, für Förderung, Aufbereitung und Transport. So stecken zum Beispiel in jeder Kilowattstunde Netzstrom, die am Zähler gemessen wird, real um die zwei Kilowattstunden Primärenergie, aufgrund der hohen Verluste unterwegs. Ausgleichen kann man sein Energiekonto nur mit der eigenen Erzeugung aus nicht fossilen Quellen, vor allem der Sonne. Ein Plusenergie-Haus benötigt einen sehr guten Wärmeschutz, inklusive luftdichter Gebäudehülle (KfW-Effizienzhaus 40 als Grundlage ist empfehlenswert); es sollte eine kompakte Form haben, um Abstrahlverluste zu minimieren, über Fenster passiv Sonnenenergie gewinnen und aktiv über eine Photovoltaik­anlage, optional noch eine Solarwärmeanlage. Die Solartechnik sollte auf dem unverschatteten Süddach platziert werden. Mögliche Alternativen sind Ost- und Westdach, da so Solarstrom morgens und/oder abends zum Eigenverbrauch zur Verfügung steht. Die Photovoltaikanlage sollte nicht mehr als 10 kWp leisten, weil sonst die EEG-Umlage auf selbstverbrauchten Strom fällig wird.

Kosten:
Mehrkosten für ein „Effizienzhaus Plus“ laut BMUB – ca. 230 bis 325 €/m2; bei E-Mobilität mehr für die Photovoltaikanlage – pro kWp ca. 1.500 €; 5 kWp-Anlage (Module, Wechselrichter, Zähler, Montage) ca. 7.000 bis 8.000 €

Förderung:
KfW-Förderung für Photovoltaik-Anlage, Stromspeicher und seit dem 1.4.2016 auch für das Erreichen des neuen Standards „KfW-­Effizienzhaus 40 plus“: Programme 274 „Erneuerbare Energien – Standard – Photo­voltaik“, 275 „Erneuerbare Energien – Speicher“ sowie 153 „Energieeffizient Bauen“ .

Weitere Informationen:
In der Initiative AktivPlus e.V. sind Planer und Wissenschaftler ­organisiert, die das Gebäude als Energieerzeuger als Standard der Zukunft etablieren wollen. Die Mitglieder des Sonnenhaus Instituts mit Sitz in Straubing ­planen und realisieren als Architekten und Ingenieure seit Jahren Häuser, die überwiegend mit Solarwärme beheizt werden. Sie beziehen allerdings auch die Solarstromerzeugung mit ein. Das BMUB hat die kostenlose Broschüre „Wege zum Effizienzhaus Plus“ herausgegeben, dann die Menüpunkte „Veröffentlichungen“, „Broschüren bestellen“

Wie lassen sich Wohnalltag und Fahralltag mit Elektroauto noch energieeffizienter gestalten?
Im „Energiespeicherplushaus“ wurde ein Jahr lang untersucht, wie sich Wohnalltag und Fahralltag mit Elektroauto noch energieeffizienter gestalten lassen. Foto: BMW Group/Dynahaus/TU München

Das könnte Sie auch interessieren