Natürlich streichen.

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Ntürlich streichen
Foto: thinkstock/Agita Leimane

Ob Erstanstrich im Neubau oder Renovierung im Altbau, bei der Auswahl der Produkte haben Sie viele Möglichkeiten. Umwelt- und Gesundheitsverträglichkeit sind aber auch bei Wandfarben ein wichtiges Thema, denn sie können Schadstoffe enthalten, die die Raumluftqualität erheblich beeinträchtigen.

Um unerwünschte Schadstoffe zu vermeiden, muss man wissen, wie die handelsüblichen Wandfarben aufgebaut sind: Pigmente sind der eigentliche Farbstoff. Um an einander und an der Wand zu halten, benötigen sie Bindemittel wie zum Beispiel Kunstharze auf Mineralölbasis, etwa Polyvinylacetat oder Acrylate. Vom Bindemittel hängen einige wesentliche Eigenschaften wie Wasserdampfdurchlässigkeit, Haftfestigkeit, Beständigkeit gegen mechanische Einwirkungen und Chemikalienbeständigkeit ab. Lösemittel sorgen dafür, dass sich Pigmente und Bindemittel rühren, gießen und verstreichen lassen. Und Hilfsmittel (oder Additive) beeinflussen die Verarbeitungseigenschaften und machen Farben zum Beispiel tropfarm oder schwer entflammbar.

Dispersionsfarben

Die atmungsaktive Wandfarbe „Plantodecor“ ist offenporig, geruchsarm und emissionsfrei nach AgBB-Bewertungsschema. Sie schafft ein Wohlfühl-Raumklima und ist beliebig abtönbar. Foto: Auro
Die atmungsaktive Wandfarbe „Plantodecor“ ist offenporig, geruchsarm und emissionsfrei nach AgBB-Bewertungsschema. Sie schafft ein Wohlfühl-Raumklima und ist beliebig abtönbar. Foto: Auro

Die handelsüblichen Wandfarben sind heute fast immer Kunstharzdispersionsfarben, oder einfach nur „Dispersionsfarben“ genannt: Sie bestehen aus Wasser, Farbpigmenten und einem Bindemittel. Zur Optimierung des Farbverlaufs und der Filmbildung werden noch geringe Mengen an Lösemitteln (normalerweise um die zwei Prozent) sowie weitere Additive und Füllstoffe (Verdickungsmittel) beigegeben.

Wasserbasierte Farben brauchen außerdem ein Konservierungsmittel – sogenannte Topfkonservierer – um Schimmel und Fäulnisbildung vorzubeugen. Von diesen Grundkomponenten können alle gesundheitlich bedenklich sein. Das beginnt bei den eigentlichen Pigmenten, die zum Beispiel auf Basis von Blei oder Cadmium hergestellt worden sein können, geht über aus Mineralöl gewonnene Kunstharze (meist Acrylharze) oder ähnliche Kunststoffe (beispielsweise Polyvinylacetat) als Bindemittel bis hin zu Formaldehyd oder Isothiazolone als Topfkonservierer. Formaldehyd wirkt auf Schleimhäute und Atemwege reizend, Isothiazolone stehen im Verdacht, eine toxische Wirkung auf den menschlichen Organismus zu haben. Sollte man Dispersionsfarben also komplett meiden? Nein. Denn viele sind besser als ihr Ruf.

Eine erste Orientierung bieten Prüfsiegel und Gütezeichen unabhängiger Institutionen. Sie attestieren zwar keine Schadstofffreiheit und völlige gesundheitliche Unbedenklichkeit, helfen aber, einen Überblick zu gewinnen. Für Allergiker ist eine Volldeklaration der Inhaltsstoffe besonders wichtig, wie man sie in der Regel nur bei Naturfarben vorfindet. Wer trotz erhöhtem Allergierisiko zu konventionellen Farben greifen möchte, sollte sich die technischen Informationen vom Hersteller geben lassen.

Naturdispersionsfarben

Die Firma Leinos bietet mit ihrer Naturharz-Dispersionsfarbe eine wischfeste, tropfgehemmt eingestellte, hochdeckende, matte Wandfarbe, die sich auf nahezu allen Untergründen problemlos verarbeiten lässt. Foto: Leinos
Die Firma Leinos bietet mit ihrer Naturharz-Dispersionsfarbe eine wischfeste, tropfgehemmt eingestellte, hochdeckende, matte Wandfarbe, die sich auf nahezu allen Untergründen problemlos verarbeiten lässt. Foto: Leinos

bzw. Naturharz-Dispersionsfarben sollen die gleichen Vorteile wie Kunstharzdispersionsanstriche bieten, bestehen aber ausschließlich oder zum größten Teil aus natürlichen, nicht-synthetischen Zutaten. Typischerweise wird Kunstharz durch Pflanzenöle wie Leinöl oder Rizinusöl und das Titandioxid durch mineralische Pigmente ersetzt. Naturdispersionsfarben sind in der Regel deutlich teurer als herkömmliche Farben auf Kunstharzbasis.

 

Kalkfarbe

Essbereich in hellem Holz.
Kalkfarbe ist ein hoch atmungsaktiver, dekorativer und schützender Anstrich für Innenwände und Fassaden. Die Firma HAGA AG Naturbaustoffe bietet über 300 verschiedene modische Farbtöne zur Auswahl. Foto: HAGA

kennt man von der Altbausanierung, aber sie findet auch in Neubauten immer mehr Freunde. Kalkfarbe ist preisgünstig, feuchtigkeitsbeständig und von Natur aus antibakteriell und deshalb besonders auch für Wohnräume mit Schimmelpilzgefahr geeignet. Dabei ist der enthaltene Kalk Pigment und Bindemittel zugleich. Aber: Auf organischen und nicht saugenden Untergründen haftet Kalkfarbe schlecht, so auch auf Dispersionsfarbe, Leimfarbe oder Tapete. Sie ist außerdem nicht sehr farbintensiv und eignet sich eher für Pastelltöne.

Kaseinfarbe

Kaseinfarben bestehen aus einem Kasein-Trockenpulver, das mit Wasser und den ausgewählten Pigmenten angerührt und dann gestrichen, gerollt oder auch gespritzt werden kann. Volvox
Kaseinfarben bestehen aus einem Kasein-Trockenpulver, das mit Wasser und den ausgewählten Pigmenten angerührt und dann gestrichen, gerollt oder auch gespritzt werden kann. Foto: Volvox

Kasein ist ein Milcheiweiß, das in der Kaseinfarbe als natürliches Bindemittel eingesetzt wird. In puncto Umwelt- und Gesundheitsverträglichkeit ist Kaseinfarbe besonders zu empfehlen, denn sie ist nicht nur frei von Giften, sondern auch von Konservierungsstoffen. Darüber hinaus ist Kaseinfarbe diffusionsoffen und besitzt eine hervorragende Deckkraft. Sie verbindet sich mit dem Untergrund und kann deshalb auf allen normal saugenden Untergründen verwendet werden, so zum Beispiel auf Gipskarton, Raufasertapeten, Leichtbeton, alten Anstrichen mit Dispersionsfarbe und mineralischen Putzen.

 

 

Leimfarbe

Leimfarbe ist eine traditionelle Wandfarbe, die sich aus dem Bindemittel Zelluloseleim, den Füll- und Weißstoffen Kalksteinmehl und Kreide sowie Wasser als Lösemittel zusammensetzt und daher ökologisch unbedenklich ist. Leimfarbe eignet sich für alle mineralischen Untergründe und haftet ideal auf Putz, Lehm, Stein, Gipsfaserplatten und Raufaser. Außerdem haben die Leimfarben eine hohe Deckkraft und sind sehr preiswert.

Da Leimfarbe wasserlöslich ist, eignet sie sich nicht für Feuchträume und kann auch nicht mit Dispersionsfarbe überstrichen werden, was bei Renovierungsarbeiten eventuell zu Problemen führen kann.

Lehmfarbe

Lehmfarbe besteht zu großen Teilen aus Lehm, genauer gesagt: aus fein gemahlenen Tonmehlen. Diese Tonmehle, vor allem aber auch Pflanzenstärke, natürliche Zellulose oder pflanzliches Eiweiß, wirken in der Lehmfarbe als natürliches Bindemittel, Marmorgranulat und Kreide sorgen neben den Tonmehlen als Füllstoffe für gute Farbsättigung und Deckkraft. Sie ist atmungsaktiv, feuchtigkeitsregulierend und geruchsabsorbierend.


Silikatfarbe

Silikatfarbe für hochwertige Decken- und Wandanstriche ist konservierungsmittelfrei, hoch wasserdampfdiffusionsfähig und leicht verarbeitbar. Foto: Brillux
Silikatfarbe für hochwertige Decken- und Wandanstriche ist konservierungsmittelfrei, hoch wasserdampfdiffusionsfähig und leicht verarbeitbar. Foto: Brillux

auch Mineralfarbe oder Wasserglasfarbe wird auf Basis von Wasserglas als Bindemittel hergestellt und ist in der Regel schadstofffrei. Silikatfarbe ist waschfest, witterungs- und UV-beständig, aber gleichzeitig überaus diffusionsoffen, weshalb sie sich für Außenanstriche und Anstriche in Feuchträumen hervorragend eignet. Reinsilikatfarben bestehen immer aus den zwei Komponenten Kaliwasserglas und einem Farbpulver. Dispersionssilikatfarben sind gebrauchsfertige einkomponentige Farben.

 

Latexfarbe
Echte, klassische Latexfarben sind Anstriche, die als Bindemittel natürliches Latex (den Milchsaft des Kautschukbaumes) enthalten. Dieses verleiht ihnen spezielle Eigenschaften wie Wasserbeständigkeit, Wasserdampfundurchlässigkeit, Elastizität, Scheuerfestigkeit und Glanz, macht sie aber auch sehr kostspielig. Echte Latexfarben sind mittlerweile praktisch vom Markt verschwunden. Moderne „Latexfarben“ sind gewöhnliche Dispersionsfarben, die als Bindemittel ein Kunstharz enthalten – statt Latex.