
Der hohe Energieverbrauch vieler Gebäude ist eine Belastung fürs Klima und immer mehr auch für die Bewohner. Es würde günstiger und besser gehen, würde man energieeffizient bauen.
Etwa 2,6 Millionen Menschen gaben an, sich das ausreichende Beheizen ihrer Wohnungen oder Häuser nicht mehr leisten zu können, so das Statistische Bundesamt im Oktober 2022. Das ist umso bitterer, als man schon längst energieeffizient bauen kann – auch solche Häuser, die ohne nennenswerten Energie-Input ganzjährig Komfort bieten.

Infrarotstrahler Mensch
Innovationen entstehen, wenn vermeintlich Selbstverständliches in Frage gestellt wird. Vor mehr als 30 Jahren fragten sich zum Beispiel die Bauphysiker Wolfgang Feist und Bo Adamson, ob es wirklich in Stein gemeißelt ist, dass man Häuser heizen muss. Die Antwort: Ja, aber nur solange sie ständig Wärme verlieren, per Transmission, durch die geschlossene Außenhülle, ob Wand oder Fensterglas, und per Konvektion, in Form von warmer Luft, durch Fugen, Ritzen und sonstige Lecks.

Ohne diese Verluste würden die Sonne, die durch die Fenster scheint, sowie die Abwärme der elektrischen Geräte und nicht zuletzt die der Bewohner genügen, um durchgehend angenehme Temperaturen zu gewährleisten. Es stimmt, auch Menschen sind Infrarotstrahler, mit einer Leistung von um die 100 Watt.
1991 wurde also in Darmstadt das erste „Passivhaus“ gebaut, mit einer Rundumdämmung (an den Außenwänden mit 27,5 Zentimetern Polystyrol-Hartschaum) und Fenstern mit Dreischeibenverglasung, damals eine Sonderanfertigung, für die der Schreiner keine Gewährleistung übernehmen wollte.
Dazu mit einer lückenlosen Luftdichtheitsschicht aus Baufolien und einer Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung, die mehr als 80 Prozent der Abluftwärme auf die angesaugte Frischluft überträgt. Seine erste größere Bewährungsprobe bestand der mit Messtechnik vollgestopfte Prototyp im „Eiswinter“ 1996/1997. „Während andernorts Heizungen einfroren, hatten es die Bewohner … mollig warm und verbrauchten trotzdem fast nichts“, schrieb das Passivhaus Institut. Die nur aus Vorsicht installierten Heizkörper wurden nicht benötigt.

Im Energieausweis, wie ihn jedes Gebäude besitzen muss, werden der Jahres- Heizwärmebedarf bzw. Endenergiebedarf genannt sowie der Primärenergiebedarf. Letzterer entscheidet über die Förderfähigkeit eines Bauvorhabens und liegt meist höher, da hier noch die jeweiligen Verluste berücksichtigt werden, die im Zuge der Gewinnung der Energieträger, der Aufbereitung sowie des Transports entstehen.
Ein Neubau nach dem derzeit (2022) gültigen Gebäudeenergiegesetz (GEG) kommt auf einen Endenergiebedarf von 45 bis 60 Kilowattstunden pro Jahr und Quadratmeter oder kWh/(m²a), in Altbauten sind 200 bis 300 kWh/(m²a) keine Seltenheit. Ein zertifiziertes Passivhaus hat dagegen einen Heizwärmebedarf von höchstens 15 kWh/(m²a).
Nachhaltige Materialien
Zum nachhaltigen und energieeffizienten Bauen gehört die Verwendung nachwachsender, wenig energieintensiver Baustoffe, wie etwa Holz. Das darüber hinaus auch noch CO2 bindet, und zwar so lange, bis das Material verrottet oder verbrannt wird. Holzhäuser allerdings haben sich als äußerst dauerhaft erwiesen. Im Fertigbau folgt auf die mit Dämmstoff gefüllte Rahmenkonstruktion oft an der Außenseite noch eine zusätzliche Isolierung.
Als Alternative zu Dämmstoffen aus Holz- und anderen Naturfasern hat sich daneben Stroh
bewährt: Es ist preiswert, speichert ebenfalls reichlich Kohlendioxid. Benjamin Krick vom
Darmstädter Passivhaus Institut hat sein Passivhaus von 2013 mit Strohballen gedämmt. Der Wärmeschutz entspreche nach wie vor den hohen Anforderungen.
Gebäudehülle vor Technik
15 Kilowattstunden pro Jahr und Quadratmeter, kaum noch oder gar nicht mehr heizen müssen, solche Zahlen machen viele Bauinteressenten misstrauisch. Trotzdem hat die Innovation aus Darmstadt Maßstäbe gesetzt, wenn auch unbemerkt. Wer in einem KfW-Effizienzhaus 40 Plus wohnt, profitiert von einem Dämmstandard, der Passivhausniveau erreichen kann, und von der Wohnungslüftung mit Wärmerückgewinnung, die zu den Förderbedingungen gehört. Genau genommen kommt man am „passiven“ Ansatz heute nicht mehr vorbei.

Regnauer Hausbau, Hersteller von Holzfertighäusern, bekennt sich auf seiner Website offen zum Prinzip „Hülle vor Technik“: „Energie, die dank einer optimal gedämmten Gebäudehülle nicht verloren geht, muss nicht teuer eingekauft werden.“ Das Unternehmen SchwörerHaus verwendet passivhaustaugliche Fenster und Türen, die „hochwärmegedämmte Gebäudehülle ist durchgängig luftdicht“ und „wärmebrückenfrei“.
Wohngesund und behaglich
Stark gedämmte und luftdichte Gebäudehüllen bleiben im Winter auf den Innenseiten warm. Kondensation der Raumluftfeuchte, häufigste Ursache für Schimmelbefall, hält sich selbst bei Ausfall der Lüftung in engen Grenzen und ist folgenlos oder findet gar nicht erst statt. Warme Oberflächen schaffen darüber hinaus Behaglichkeit: Anstatt dem Körper Wärme zu entziehen, reflektieren sie sie.

Vorbehalte gegenüber der Lüftungstechnik sind laut Uli Zimmermann vom Passivhaus-Anbieter Lebensraum Holz GmbH in Bad Aibling unbegründet. Zugerscheinungen und Lufttrockenheit aufgrund zu hoher Volumenströme gebe es nicht, die stufenlos regelbaren Systeme arbeiteten dank CO2-Sensor rund um die Uhr bedarfsgerecht.
Kühl durch die Hitzesommer
Nimmt man das Prinzip „Hülle vor Technik“ ernst, sind das Ergebnis vier Wände, in denen man seinen Energieverbrauch größtenteils selbst bestimmt, ob in Form von Warmwasser oder von Haushaltsstrom. Für eine Klimaanlage gibt es wenig zu tun, die Außenhülle lässt kaum Hitze und heiße Luft ins Innere. Zusammen mit einer automatisierten Verschattung verfügt man damit ebenso über einen optimalen sommerlichen Hitzeschutz. Und alles in allem über ein krisenfestes Eigenheim. Energiekrisen- und klimakrisenfest.
