
Während viele Planer und Architekten das Haus als Kraftwerk der Zukunft sehen, das sich und die Allgemeinheit mit Solarstrom versorgen soll, setzen einige lieber auf das Sonnenhaus. Hier erreicht man die Wärmeversorgung mit der Sonne. Nur die verschaffe Bauherren echte Unabhängigkeit.
Neben vielem anderen muss Heiztechnik heute vor allem eins können – sich zurückhalten. Wie der Pelletofen des Ehepaars Renner, der nur sehr sanft in den Raum abstrahlt. Zum überwiegenden Teil speist er den Pufferspeicher im Keller und auch hierbei muss, besser, darf er sich zurückhalten: Drei Viertel des Wärmebedarfs werden von der Sonne gedeckt, von den Solarkollektoren auf dem Dach. Das schwedenrote Holzhaus in einem Neubaugebiet in Oberschwaben ist ein Sonnenhaus.

Pro Solarwärme
Aber eines der besonderen Art, nicht so wie die bekannten Plus-Energie-Häuser, die Wohnkraftwerke, die mit ihren Photovoltaik-Anlagen Solarstrom sowohl für sich als auch für die Allgemeinheit produzieren. Grüner, CO2-freier Strom spielt unbestritten eine Schlüsselrolle beim Umbau unserer Energieversorgung, während die Wärmegewinnung mittels Kollektoren, die Solarthermie, kaum noch Beachtung findet. Das allerdings ist nach Ansicht einer gar nicht so kleinen Gruppe von Planern und Architekten ein Fehler. Wärme ist zwar wesentlich schwerer zu transportieren als Strom, dafür viel einfacher zu speichern, im billigsten Speichermedium überhaupt, in Wasser.

Eine „häusliche“ Form der Energie, die man am besten dort einsammelt, wo man sie verbraucht. Am konsequentesten haben bislang die Mitglieder des Sonnenhaus Instituts e.V. mit Sitz im bayrischen Straubing diesen Gedanken umgesetzt, haben Häuser geplant und realisiert, die unter Einsatz von mehrere Kubikmeter fassenden Langzeitspeichern und großen Kollektorfeldern übers Jahr betrachtet mindestens zur Hälfte solar versorgt werden, einige wenige Leuchtturmprojekte sogar zu 100 Prozent. Allzu dogmatisch ist man dabei in Straubing nicht, schließt seit einiger Zeit auch Stromerzeugung und Elektromobilität mit ins Konzept ein. Und Platz ist auf den meisten Dächern sowieso für beides, für Photovoltaikmodule und Kollektoren.

Mehr Unabhängigkeit
Das reine Stromhaus jedoch sehen die Straubinger skeptisch, und nicht nur sie. Der Heizwärmebedarf von Neubauten mag im Vergleich zu früher gering sein, der Warmwasserbedarf indes ist stark gestiegen. Im Normalfall verfügen Plus-Energie-Häuser über eine Außenluft-Wärmepumpe und die zieht für die Bereitstellung der hohen Brauchwassertemperaturen unverhältnismäßig viele Kilowattstunden, leider überwiegend aus dem öffentlichen Netz. Man hat sich unabhängig von Gas und Öl gemacht – und gerät in Abhängigkeit von Versorgungsunternehmen, die weiter fröhlich ihre Kohle- und Atomkraftwerke betreiben.
Das wollte Jörg-Walter Karl, Zimmerermeister im Unruhestand im baden-württembergischen Kusterdingen, gerade nicht und setzte auf Solarthermie plus Holzheizung, lediglich ergänzt durch Photovoltaik für den Haushaltsstrom. Die Kollektoren auf dem Flachdach seines kubistisch-modernen Neubaus, insgesamt 24 Quadratmeter, sind mit 60 Grad recht steil aufgeständert, um gerade in Herbst, Winter und Frühling die Sonnenstrahlen optimal einfangen zu können. Der Pufferspeicher, von den Kollektoren und einem Scheitholzofen geladen, erreicht mit fast 5.000 Litern Fassungsvermögen nicht die Dimensionen der Speicher klassischer wärmebasierter Sonnenhäuser. Eine sehr gute Dämmung vorausgesetzt, funktioniere es mit weniger Volumen und weniger Kollektorfläche, sagt Anlagenplaner Thomas Hartmann. Laut seinen Berechnungen wird der Solaranteil in Kusterdingen dennoch bei 65 Prozent liegen.

Altersversorgung mit dem Sonnenhaus
Auch ohne die Fördermittel des Bundes (siehe Kasten „Infos“) hätte er so entschieden, meint Jörg-Walter Karl: „Ich bin Überzeugungstäter…“. Woraus man nicht schließen darf, dass die Investition in umweltfreundliche und CO2-freie Haustechnik sich nicht lohnt. Glaubt man Prof. Timo Leukefeld, Mitglied im Vorstand des Sonnenhaus Instituts und Lehrender an der Technischen Universität Freiberg, ist sie im Vergleich zur privaten Rente sogar die „bessere Altersversorgung“. Je nach Entwicklung der Energiepreise amortisierten sich die Mehrausgaben früher oder später. Renners hatten in der Planungsphase gezögert, als klar wurde, dass ihre heutige Haustechnik doppelt so teuer würde wie die Variante mit Luft-Wärmepumpe. Allerdings nur kurz, und bereits nach zwei Heizperioden fühlen sie sich bestätigt. Selbst an manchen Wintertagen, so Harald Renner, hätten die Kollektoren allein den Speicher auf 40 Grad gebracht, ohne Hilfe des Pelletofens. Jährliche Kosten für Raumheizung und Warmwasser bisher: 400 Euro.

Solarer Hybrid
Kollektoren und Photovoltaik-Module sind längst leistungsfähig genug, um auch unter widrigen Umständen guten Ertrag zu liefern. Ein vom Büro Architype geplantes und errichtetes Haus im Nordosten Bremens wird zwar zeitweise von den mächtigen Eichen der Umgebung verschattet. Es wird aber laut Fachplaner und Energieberater Hubert Westkämper 2016 seine Sparziele erreichen. Neben der Solartechnik heizt anstatt einer Luft-Wärmepumpe eine wesentlich effizientere Erd-Wärmepumpe, die allerdings dank der Solarthermie-Anlage den Sommer über pausieren kann. Westkämper: „In künftigen Jahren wird die Einsparung noch deutlich größer sein, weil die Haustechnik nun wesentlich besser eingestellt und die Neubaufeuchte verschwunden ist.“

Info
Planung: Das klassische Sonnenhaus nach Definition des Straubinger Sonnenhaus Instituts e.V. muss seine Wärmeversorgung zu mindestens 50 Prozent solar bestreiten (d.h. „solare Deckungsrate“ gleich oder größer 50 %). Es muss dazu über eine sehr gute Dämmung verfügen (U-Wert 0,18 bis 0,30 W/m²), einen entsprechend niedrigen Jahres-Heizenergiebedarf (25 bis 40 kWh/m²) und einen Jahres-Primärenergiebedarf von nicht mehr als 15 kWh/m²a. Das Institut empfiehlt zwischen 25 und 80 Quadratmeter Kollektorfläche, pro Quadratmeter Kollektorfläche zwischen 120 und 300 Liter Speichervolumen. Das Gebäude sollte nach Süden ausgerichtet sein, die Solarkollektoren sollten zur besseren Nutzung der Wintersonne steil geneigt sein, zwischen 50 und 80 Grad.
Förderung: Neben den zinsgünstigen Krediten der KfW können Bauherren von Sonnenhäusern seit April 2015 Zuschüsse vom BAFA erhalten, dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, sofern ihr Neubau um 30 Prozent besser gedämmt ist als von der EnEV, der Energieeinsparverordnung vorgeschrieben und nach einem zertifizierten Berechnungsverfahren eine solare Deckungsrate von mindestens 50 Prozent erreichen wird. Teils fördern auch Kommunen den Bau solcher Häuser. Infos dazu gibt es unter anderem vom Sonnenhaus Institut in Straubing.
Info-Adressen: Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, BINE Informationsdienst oder Verbraucherzentrale Bundesverband