
Wo es zieht wie Hechtsuppe, braucht man dicke Pullover oder einen Lottogewinn, um die Heizrechnung noch bezahlen zu können. Die Alternative: dämmen, abdichten und eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung einbauen.
Im Dezember 2013 berichtete die „Zeit” aus England vom aus kontinentaler Sicht seltsamen Komfortverständnis der Briten. Ja, sie hätten einmal diese modernen Kunststofffenster gehabt, wird ein Londoner Hausbesitzer zitiert, hätten sie aber schnell wieder gegen die alten klapprigen Exemplare aus Holz eingetauscht. Es ginge einfach nichts über ein frisches Lüftchen im winterlichen Wohnzimmer und außerdem käme man sich hinter den modernen, schalldichten Fenstern so abgeschottet von der Außenwelt vor.
Kontrollierter Austausch
Derart harte Zeitgenossen hätten sicher nur ein Kopfschütteln übrig für die hiesigen Bauvorschriften, die von Neubauten und modernisierten Altbauten eine „luftdichte” Außenhülle verlangen. Aber wo geheizt wird, gehen Lüftungsverluste über Fugen, Ritzen und schlecht schließende Fenster- und Türrahmen mächtig ins Geld. Die Hülle muss dabei nicht hermetisch dicht sein, lediglich diesen unkontrollierten Luftaustausch mehr oder weniger stark eindämmen. Stattdessen gilt es, den kontrollierten zu planen. Denn bei eingeschränktem Luftaustausch drohen Schimmelbefall und gesundheitliche Schäden. Bleibt die feuchte Luft im Gebäude, kann sie an kalten Stellen der Innenwände – den Wärmebrücken – kondensieren und beste Wachstumsbedingungen für die Pilze schaffen; vom Menschen ausgeatmetes CO2 und Schadstoffe aus Möbeln, Farben, Textilien usw. können sich anreichern. Um Haus und Bewohner zu schützen, müssen pro Person und Stunde im Schnitt 30 Kubikmeter Frischluft zugeführt werden.Wie die Versorgung garantiert werden kann, darüber gibt das Lüftungskonzept nach DIN 1946-6 Auskunft. Es muss von einem Energieberater oder einem Anlagenplaner erstellt werden, sobald ein Drittel der Fensterfläche ausgetauscht beziehungsweise ein Drittel der Dachfläche abgedichtet wird. Mit ihm in der Hand weiß man, ob Fensterlüftung überhaupt noch zumutbar und machbar ist. Oder ob nicht doch die ventilatorgestützte angesagt ist, am besten eine mit Wärmerückgewinnung. Sie rettet zusätzlich zur Luftqualität einen mehr oder weniger großen Teil der teuer bezahlten Heizenergie.
Zentrale Lösung
Im Altbau haben dezentrale Lüftungsanlagen zur Versorgung einzelner Räume aufgrund des geringen Montageaufwands sicher ihren Charme. Zentrale Anlagen allerdings, für die Wohnung oder das ganze Haus, arbeiten wesentlich effizienter. Das Zentralgerät enthält Ventilator, Filter und Wärmetauscher. Es sind zwei Kanalsysteme erforderlich – eines, das die Abluft aus den am stärksten belasteten Räumen entsorgt, aus Bad, WC und Küche, ein anderes, das die Frischluft in die Aufenthaltsräume befördert, nachdem sie zuvor im Zentralgerät durch die Wandungen des Wärmetauschers von der Abluft temperiert worden ist. Durch Überströmöffnungen über den Türen gelangt die Frischluft in die Ablufträume. Trotz der zwei Kanalsysteme hält sich der Platzbedarf moderner Anlagen in Grenzen: Die Einheiten sind kompakter geworden, Leitungen mit flachovalem Querschnitt lassen sich im Fußbodenaufbau oder unter der Decke unterbringen. Korrekt ausgelegt, eingestellt und ordnungsgemäß schallgedämmt, ist die Technik kaum zu hören. Verbunden mit CO2- und Feuchtesensoren, kann sie selbstständig für dauerhaft hohe Luftqualität sorgen.

Reinigung und Wartung
Eine Einweisung durch Installateur oder Energieberater vor Inbetriebnahme macht mit Regelung und Filterwechsel vertraut. Wo es Probleme mit der Hygiene, mit Verkeimungen in den Kanälen gab oder die Leistung sank, lag das laut Branchenkennern bislang fast immer an der Sorglosigkeit der Benutzer: Reinigung oder Austausch der Filter seien vergessen worden. Je nach Anlagentyp und -größe sollte alle ein bis zwei Jahre eine Wartung durch den Fachbetrieb erfolgen. Die Ausgaben für Gerät, Montage und Wartung sind gut angelegtes Geld, schaut man sich die Entwicklung der Energiepreise an. Es sei denn, man zieht die britische Art der Frischluftversorgung vor. Und lieber noch einen Pullover extra an.

Kosten:
Zentrale Ab- und Zuluftanlage mit Wärmerückgewinnung – ab ca. 6.000 Euro Filtertausch – 50 bis 100 Euro/Jahr
Lüftungskonzept:
Das individuelle Lüftungskonzept nach DIN 1946-6 unterscheidet vier Lüftungsstufen, die unter definierten Bedingungen bzw. Belastungen im betroffenen Gebäude ausreichende Luftqualität garantieren. Quelle der Belastung sind die Bewohner, die atmen, schwitzen, duschen, sich ihr Essen kochen und dabei reichlich Wasserdampf erzeugen. Sind sie abwesend, reicht „Lüftung zum Feuchteschutz” (LF), sind sie selten zu Hause, ist „reduzierte Lüftung” (RL) ausreichend. Normaler Wohnalltag erfordert die „Nennlüftung” (NL), der Lastfall Party verlangt die „Intensivlüftung” (IL). Uwe Brüne vom TZWL, dem „Europäischen Testzentrum für Wohnungslüftungsgeräte e.V.”, Dortmund, rät das Konzept nicht vom Installateur, sondern vom herstellerunabhängigen Fachplaner erstellen zu lassen. So sei Technologieoffenheit gegeben.
Planung:
Der Anlagenplaner muss unter Verwendung des Lüftungskonzeptes die Technik exakt auf Haus und Bewohner zuschneiden. Eine zu groß ausgelegte Anlage zieht zu viel Strom, arbeitet ineffizient, eine zu klein dimensionierte muss auf hoher Stufe fahren, um den geforderten Volumenstrom zu bewältigen und verursacht Lärm. Der Rückgewinnungsgrad der Anlage muss mindestens 70 % betragen. Vor Einbau muss ein Blower-Door-Test die erforderliche Luftdichtheit der Haushülle bestätigen
Kombination mit Feuerstätten:
möglich, sowohl mit raumluftabhängigen als auch mit raumluftunabhängigen; Lüftungsanlagen sollten über eine „Feuerstättenfunktion” zur Vermeidung von Unterdruck verfügen (mit Differenzdruckwächter), der Abgase in die Räume ziehen könnte; nützlich ist auch der „Feuerbooster”, der in der Anfeuerungsphase die Abluftleistung senkt, sodass zeitweilig mehr Verbrennungsluft zur Verfügung steht; auf jeden Fall früh in der Planungsphase den Schornsteinfeger mit einbinden.
Hardware:
Unterbringung des Zentralgeräts in Nähe der Außenwand oder unterm Dach; ein Sommerbypass verhindert im Sommer die Aufheizung der Außenluft.