Bauhaus feiert 2019 sein 100. Jubiläum. Heute beeinflusst das Bauhaus selbst den Fertighausbau. Dabei geht es um mehr als einen Baustil. Wir wollten von Christian Bodach, Geschäftsstellenleiter von 100 Jahre Bauhaus, wissen, was Bauhaus genau ist und wie es noch heute unseren Alltag prägt.
Bauhaus umfasst Architektur und Design, aber auch Malerei, Tanz und Theater. Wie definieren Sie die Marke Bauhaus heute?
Christian Bodach: Das Bauhaus war eine Hochschule für Gestaltung: eine Ideenschule, die Kunst, Architektur und Design von Grund auf neu und ganzheitlich dachte und damit innovative Wege beschritt. Dabei ging es um nichts Geringeres als die zentralen Fragen: Wie wollen wir leben? Wie wollen wir wohnen? Bauhaus ist weltweit ein Begriff, der jedoch sehr unterschiedlich besetzt ist.
Was war die Grundidee von Bauhaus-Gründer Walter Gropius?
In seinem Bauhaus-Manifest von 1919, das in Weimar entstand, forderte Walter Gropius das Zusammenspiel von Kunst und Handwerk. Ziel der Ausbildung war ein „Einheitskunstwerk“, das alle Werkstätten einband. Erst nach und nach setzte sich eine pragmatisch-funktionale Haltung am Bauhaus durch. Zahlreiche Designklassiker wie die Bauhaus-Leuchte von Jucker und Wagenfeld oder die Bauhaus-Wiege von Peter Keler sind in Weimar entstanden.

Wie ging es nach dem Umzug nach Dessau weiter?
In Dessau, einer damals aufstrebenden Industriestadt, fand das Bauhaus im Anschluss an die Anfangsjahre in Weimar ideale Bedingungen zur Gestaltung von Vorlagen für die industrielle Massenproduktion. Daraus entstanden Produkte und Bauten, die das Bild des Bauhauses bis heute prägen – von Marcel Breuers Stahlrohrmöbeln über Marianne Brandts Aschenbecher bis hin zum Stahlhaus.
Und was zeichnete die letzte Epoche aus?
Hannes Meyer rückte ab 1928 den sozialen Anspruch des Bauhauses in den Fokus. Ihm ging es vor allem um die Frage, wie gut gestaltete Produkte und Bauten so geschaffen werden können, dass sie für alle erschwinglich sind. Unter Ludwig Mies van der Rohe als dritten Direktor wiederum wurde der Vorkurs abgeschafft und die Werkstattarbeit reduziert. Architektur, konstruktive Logik und räumliche Freiheit rückten in den Fokus.
„Wenn du nicht artig bist, kommst du ins Bauhaus!“, mahnten Eltern
ihre ungezogenen Kinder damals.
Was verbanden die Menschen zwischen 1919 und 1933 mit Bauhaus?
Das Bauhaus polarisierte von Anfang an. Für die einen war es eine Schule der Avantgarde, die tradierte Werte und Normen hinterfragte und radikal Neues schuf. Andere, rechte Strömungen hingegen verfemten das Bauhaus als „kulturbolschewistisch“. Auf jeden Fall war das Bauhaus schon zu seiner Zeit sehr bekannt und bedeutend – und ist nicht erst eine Wiederentdeckung späterer Jahre.
Wie muss man sich das Leben der Bauhaus-Studenten vorstellen?
„Theater, Vorträge, Dichtkunst, Musik, Kostümfeste. Aufbau eines heiteren Zeremoniells bei diesen Zusammenkünften“ – das war bereits im Bauhaus-Manifest 1919 als fester Programmbestandteil für die Studierenden festgeschrieben. Gemeinsames Wohnen und Essen, Freizeit und Sport kamen hinzu, für die insbesondere das Bauhaus-Gebäude in Dessau zahlreiche Möglichkeiten bot. Die Studenten lebten im Ateliergebäude, auch Prellerhaus genannt, und trafen sich in der Mensa oder nutzten den Gymnastikraum.
Kennen Sie eine besondere Anekdote aus der Bauhaus-Historie?
„Wenn du nicht artig bist, kommst du ins Bauhaus!“, mahnten Eltern ihre ungezogenen Kinder seinerzeit in Weimar. Denn mit ihren Freikörperübungen im Ilmpark, den Umzügen, in denen Studenten verkleidet durch die Straßen zogen, fielen die Bauhäusler schon ein wenig aus dem noch bürgerlich geprägten Rahmen dieser Zeit.
Erst Weimar, dann die Welt: Bauhaus-Architektur hat weltweit Spuren hinterlassen. Haben Sie ein persönliches Lieblingsgebäude?
Das Wohnhaus von Walter Gropius in Lincoln, Massachusetts unweit von Boston. Interessanterweise errichtete Gropius sein letztes eigenes Haus aus Holz. Die Einrichtung ist fast vollständig erhalten: Vom Kleid seiner Frau Ise bis hin zum Original des Direktoren-Schreibtisches, den Gropius von Weimar über Dessau mit in die USA nahm.
Neben der Bauhaus-Architektur bei Häusern gibt es auch Bauhaus Sessel, Stühle, Lampen und Tische. Was ist das verbindende Element zwischen den unterschiedlichen Bereichen?
Vielleicht der Mut, die Dinge von Grund auf neu zu denken. Wenn man Bauhaus als eine solche Haltung versteht, müsste man heute allerdings zu ganz anders gestalteten Objekten kommen. Es geht also nicht um die überlieferten Dinge, sondern eine Sichtweise auf die heutigen Möglichkeiten.
Welches ist Ihr persönliches Lieblingsmöbelstück aus dem umfangreichen Bauhaus-Katalog?
Marcel Breuers Stahlrohrmöbel. Sie beeindrucken durch ihre Leichtigkeit.
Welche Auswirkungen hat Bauhaus heute noch auf unseren Alltag?
Der Anspruch der Bauhäusler, Kunst wie Lebenswelt zu reformieren, hat unser Verständnis von Gestaltung und Architektur nachhaltig geprägt und erzählt zugleich eine weltweite Verflechtungsgeschichte. Ihre Idee von einem Zusammenschluss aller Künste gibt bis heute wichtige Impulse. Ihr funktionalistisches Credo hat geholfen, die Dinge und ihr Wesen und ihre Bestimmung neu zu ergründen. Die kooperativen Haltung als Grundlage hierfür, kann uns heute immer noch als Vorbild dienen.

Was würden Sie dem Gründer, Walter Gropius, gerne sagen?
Man sollte ihm für seine großartige Idee danken, so viele unterschiedliche Kreative an einem Ort vereint zu haben – deren Inspirationen und Kreationen bis heute wirksam, aktuell und von einzigartiger Bedeutung sind. Ohne diese und ihren bahnbrechenden Einfluss sähen unsere Städte heute anders aus, unsere Küchen und Wohnzimmer und wohl auch viele andere Dinge. Die Bedeutung seiner Idee für unsere Zeit spiegelt sich auch in hunderten Veranstaltungen im Jubiläumsprogramm wider.