
Die Idee, die Doppelhaushälfte zu erweitern, überlebte die erste Besprechung mit dem Architekten nicht. Zu gravierend waren die Mängel des Altbaus, zu verlockend die Vorteile des Ersatzneubaus: größer, sparsamer und endlich in der Sonne.
Blankes Unverständnis, das war Reaktion von Verwandten und Freunden, wenn Tina und Andreas Franke erzählten, dass sie abreißen und neu bauen wollten. Tina Franke: „Es schien fast so, als hätten einige von ihnen eine engere Bindung an unser Haus als wir.“ Kennt man allerdings den Vorgänger, und sei es nur von Fotos, und läuft heute durch den Neubau, versteht man das Unverständnis nicht. Zweigeschossig, mit Flachdach, in L-Form, ausgerichtet nach Süden und nach Osten, mit dem Wohnzimmer im Südteil und dem hellen Koch-Ess-Bereich im Osten. Von der Kochinsel aus überblickt man Terrasse und Garten.

Dachterrasse
Im Untergeschoss beherbergt der Ostteil die Zimmer der beiden Töchter. Nein, es werden keine Kinderrechte verletzt, vor den Fenstern hat man eine großzügige Abböschung angelegt, die Tageslichtversorgung ist sichergestellt. Oben liegen im Osten Schlafzimmer, Bad und Ankleide, nach Süden gelangt man auf die Dachterrasse. Sie grenzt direkt ans Nachbarhaus, wurde klassisch-modern mit Brüstungen anstatt mit Geländern versehen, sowie mit Luftbalken. Hier kann man im Whirlpool relaxen, unbeobachtet, auch von den direkten Nachbarn, zu denen das Verhältnis seit der Baumaßnahme angespannt ist.

Radikal neu
Natürlich hatten alle vier Frankes eine Bindung zu ihrer Doppelhaushälfte von 1967 entwickelt, die in einem ruhigeren Teil Münchens stand. Nur wurde es innen ab den 2010er Jahren allmählich etwas eng. In der „Weltstadt mit Herz“ eine neue Bleibe zu finden, gleichwertig und dabei geräumiger, erwies sich als schwierig. So dachten die Bauherren in spe über eine Erweiterung nach, wie sie viele in ihrer Umgebung bereits umgesetzt hatten.

Sie stießen beim Stöbern im Internet auf die Website von Dirk Hooff, Inhaber des Münchner Büros „Hooff Architekten“. Er stattete ihnen einen Besuch ab und sie lernten einen „seriösen, professionellen“ Planer kennen, „weniger Künstler als vielmehr Realisierungspartner.“ Dennoch waren sie, so Hooff, zunächst geschockt, als er ihnen nach Sichtung aller Fakten seinen Vorschlag unterbreitete: zurück auf Null, komplett neu, größer und schöner.

Bekannte Schwächen
Bauten der ersten drei Nachkriegsjahrzehnte sind die Sorgenkinder der Ingenieure und Architekten. In einer Zeit billigen Öls hochgezogen, ist der Wärmeschutz ihrer Außenwände miserabel, ebenso der der alten Fenster, die noch dazu oft undicht sind. Auch der Wärmeschutz damaliger Flachdächer ist suboptimal, und die durchs Gebäudeinnere geführte Dachentwässerung, weiß Dirk Hooff, macht selbst dann Probleme, wenn sie nicht leckt, als Wärmebrücke, an der Luftfeuchte kondensiert. Bei Frankes Objekt kam noch mehr hinzu.

Es klebte zur Hälfte am südlichen Doppelhausteil, der ihm in der Sonne stand, und dessen Garten Fenster am freien Wandabschnitt im Süden baurechtlich nicht zuließ. Damit nicht genug, gab es durchgehende Betondecken. Akustische Trennung: Fehlanzeige. Die einschalige Kommunwand schließlich zwischen Nord und Süd sowie das durchgezogene Dach, aus nicht feuerbeständigen Materialien, entsprachen nicht einmal den Vorschriften der Bauzeit. Hooffs Konzept hatte trotz absehbar höherer Kosten deutlich mehr Charme – doppelt soviel Wohnraum wie zuvor schaffen, das Gros davon vom Nachbarbau abrücken, in die Sonne rücken, und nur mit einem Bindeglied den Kontakt halten, wie der B-Plan vorschrieb.

Rückbau und Neubau
Der Abbruchtrupp ging mal rabiat, mal vorsichtig vor, mal mit Abrissbirne und Bagger, mal trennte man mit chirurgischer Präzision und Betonsäge die Decken entlang der Kommunwand, ohne den Südteil zu touchieren. Vorher wurde das Gebäude restlos entkernt, die alte, krebserregende Mineralwolle, wie es sich gehört, in Plastiksäcken entsorgt. Die Außenwände wuchsen aus Dämmsteinen mit – unbedenklicher – Mineralwollfüllung, die Fenster, Wärmeschutzfenster, besitzen sämtlich Drei-Scheiben-Verglasungen, dämmen so gut wie in den Sechzigern manche Wände nicht.

Fast alle zufrieden
Ein Architekt, so Dirk Hooff, muss die Lebensgewohnheiten seiner Kunden kennen, quasi Familienmitglied auf Zeit werden, auch damit er die späteren Verhältnisse vorausdenken kann. Indes sei die Idee, die Kinderzimmer in den Keller zu verlegen, von Frau Franke gekommen, „… das anzuregen, hätte ich mich nicht getraut.“ Sinnvoll, die Töchter würden in nicht allzu ferner Zukunft ohnehin ausziehen. Ersatzneubau macht vieles einfach, was in der Sanierung manchmal knifflig und teuer werden kann. Die Kochinsel erhielt gar ihren eigenen Gasanschluss. Laut Hooff profitieren sogar die Nachbarn, die in der Bauphase regelmäßig geklagt hatten, vom Neuanfang, durch die Dämmung an ihrer Nordseite und den kleinen Wintergarten als Wärmepuffer auf der Dachterrasse. Bedankt hätten sie sich noch nicht. Dafür hat sich das anfängliche Unverständnis in Verwandtschaft und Freundeskreis wortwörtlich in Wohlgefallen aufgelöst.
Öfter abreißen
Geht man nach Norbert Bogusch und Jörg Brandhorst, Autoren des 2013 erschienenen Fachbuchs „Sanieren oder Abreißen“, ist der Ersatzneubau eine unterschätzte Option, gerade für Eigentümer von Gebäuden der 1940er bis 1970er. Also ruhig mal drüber er nachdenken. Und unbedingt früh genug eineArchitektin, einen Architekten einschalten.

Im Besprechungszimmer kann es dann unter Umständen sehr schnell gehen, wenn die Mängel und Fehler des eigenen Altbaus, die man über die Jahre bemerkt und wieder verdrängt hat, mit denen man sich arrangiert hat, endlich alle zusammen aufs Tapet kommen. Außerdem: nicht überall muss man beim Abriss so vorsichtig agieren wie im Falle des Münchner Doppelhauses. Wo getrennt wurde, was getrennt gehörte.

Umbau-Daten
Planungsphase: Dezember 2012 – Juni 2013
Abbruch- und Bauphase: Abbruch April 2014, Fertigstellung Februar 2015
Baujahr Altbau: 1967
Bauweise Bestand: massiv
Baustoffe Bestand, konstruktiv: Beton, Ziegel (alter Hochlochziegel)
Bauweise Neubau: massiv
Baustoffe Neubau, konstruktiv: Beton, Ziegel (Kommunwand), Dämmziegel W08, 36,5cm (Außenwände)
Dämmung: s.o. (Dämmziegel)
U-Werte der Außenwände vorher: ca. 1,40 W/(m²K)
U-Werte der Außenwände nachher: ca. 0,18 W/(m²K)
U-Werte der Fenster vorher: ca. 2,7 W/(m²K)
U-Werte der Fenster nachher: ca. 0,90 W/(m²K)
Fassade: Putz
Heizung vorher: Ölkessel
Heizung nachher: Gas-Brennwerttherme mit Solarthermie-Anlage, Vakuumröhren-Kollektoren, 1.200-l-Pufferspeicher
Wohnfläche vorher: EG ca. 80 m2, OG ca. 65 m2
Wohnfläche nachher: UG ca. 85 m2, EG ca. 120 m2, OG ca. 90 m2
Umbaukosten: ca. 600.000 €
Architekt: Dipl.-Ing. Architekt Dirk Hooff (Bausachverständiger PersCert TÜV),
Gartenplaner: Erik Hooff, Staatl. gepr. Techniker für Garten- und Landschaftsbau
(Freier Sachverständiger PersCert TÜV), Adresse: s.o.
