Das Bauernhaus in der Stadt: Innerlich stark verändert, äußerlich treu geblieben.

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Drei Jahre Leerstand konnten diesem soliden Bauernhaus nicht wirklich etwas anhaben. Einst mit einer Scheune verbunden, ist es heute ein Solitär, wurde ansonsten außen kaum verändert. Innen allerdings sehr.

Klinker, frostbeständig und robust, schützen tragende Mauern vor Wind und Wetter.
Klinker, frostbeständig und robust, schützen tragende Mauern vor Wind und Wetter. Die hier tun das seit nunmehr 80 Jahren. Foto: Stefan Fister

Jetzt musste einer der Baumarkt-Angestellten einfach mal nach­fragen: „Was macht ihr da eigentlich?“ Barbara Chao-Barbeito und ihre Helfer hatten gerade die wer-weiß-wievielte Packung Schleifscheiben abgeholt. Aber es waren ja schließlich im kompletten Obergeschoss ihres Altbaus satte sechs Millimeter Fließestrich von den Dielenbrettern zu holen. Ein Mühe, die die Bauherrin gerne auf sich nahm, und die federnden, fußwarmen Dielen, nach dem Einpflegen hell und ansehnlich, geben ihr Recht.

Die zweischalige Außenwand des Bestands ist fast fünfzig Zentimeter stark.
Foto: Stefan Fister

Ein gutes halbes Jahr lang war sie mit Freunden und Kollegen mit Fleiß in dem alten Bauernhaus im west­fälischen Lippstadt zugange, neben dem Schleifen unter anderem mit Stemm- und Schlitzarbeiten beschäftigt, Wanddurchbrüchen und – bevor es überhaupt richtig los­gehen konnte – mit Entrümpeln. Auch mussten zu Beginn ebenso fleißige Ameisen hinauskomplimentiert werden, zusammen mit den Spinnen, Asseln, Vögeln und Fledermäusen.

Das Haus verdankt sein freundliches Ambiente auch dem Hobby der Bauherrin.
Das Haus verdankt sein freundliches Ambiente auch dem Hobby der Bauherrin. Tamara de Lempicka hat es ihr besonders angetan. Foto: Stefan Fister

Warmes Interieur im Bauernhaus

Ein Haus in der Stadt und doch im Grünen, das Flora und Fauna in drei Jahren des Leerstands zumindest in Ansätzen erobert hatten. Heute bilden Büsche und Bäume nur noch einen hübschen Rahmen für den roten Ziegelbau. Die Klinker der Vormauer sind nicht durchweg Ton in Ton, zum Glück, da und dort lockert ein dunkler Fehlbrand die Optik auf.

Im Erdgeschoss erschließen sich vom mittig gelegenen Flur aus links der Wohnbereich, rechts der Koch-Ess-Bereich.
Foto: Stefan Fister

Wer neu baut und eine derart reizvolle, abwechslungsreiche Fassade haben will, bestellt eigens handsortierte, „bunte“ Chargen, nicht ganz billig. Hier ist alles Original. Die Haustür liegt etwas zurückgesetzt im Windfang, gut geschützt, sodass man auch bei Regen im Trockenen nach dem Schlüssel suchen kann.An grauen, nassen Tagen dürfte es pure Labsal sein, in ein Interieur wie dieses zu treten, in dem nur noch wenig an die Zeit vor dem Umbau erinnert. Weiße Wände und Decken, helle Landhausdielen im Erdgeschoss, allem voran jedoch die Bilder der Hausherrin, in warmen Farben, schaffen ein fröhliches, aufmunterndes Ambiente.

Die Eingangstür, geschützt im Windfang.
Die Eingangstür, geschützt im Windfang: Damit man zum Beispiel im Winter nicht mit dem Schnee ins Haus fällt … Foto: Stefan Fister

Im Erdgeschoss erschließen sich vom mittig gelegenen Flur aus links der Wohnbereich, rechts der Koch-Ess-Bereich, beide großzügig bemessen, zwei Stahlunterzüge verraten, dass dafür Innenwände geopfert worden sind. Weiter hinten findet man ein kleines Bad, Abstellraum und eine Treppe, die in den Teilkeller führt. Dem nach Südwesten weisenden Wohnbereich wurde außen ein Wintergarten angegliedert, dem Koch-Ess-Bereich nach Nordosten eine überdachte Terrasse; alle Fenster sind im Erdgeschoss bodentief. Oben wurden Schlaf- und Gästezimmer, ein größeres Bad sowie das Atelier ein­gerichtet, im Dachgeschoss und in den Spitzböden weitere Gästebereiche.

Der Wintergarten auf der Südwestseite wird nicht beheizt, ist mal nur Wärmepuffer, mal Lieblingsplatz.
Hoher Wohnwertgewinn: Der Wintergarten auf der Südwestseite wird nicht beheizt, ist mal nur Wärmepuffer, mal Lieblingsplatz. Foto: Stefan Fister

Teilabriss

2005 nahezu eingewachsen, war das Gebäude dennoch der Aufmerksamkeit von Barbara Chao-Barbeito nicht entgangen, die sich eines Tages den Weg bis zu Hauseingang und Klingelschild freikämpfte, um die Eigentümer ausfindig machen zu können. Damals allerdings war es mit einem mehr als doppelt so großen Wirtschaftsteil verbunden, und die Eigner, stur, wie Westfalen nun einmal sein können, wollten partout am Stück verkaufen.

Einiges vom wuchernden Grün war schon entfernt worden, als die Aufnahme entstand.
Vor dem Umbau: Einiges vom wuchernden Grün war schon entfernt worden, als die Aufnahme entstand. Foto: Bauherrin

Ein viel zu großer Brocken – Frau Chao-Barbeito hatte drei Monate hart zu verhandeln, bis der Erfolg kam. Sie zog Architekt Reiner Kiehl hinzu, der dem Haus von 1936 eine grundsolide Substanz bescheinigte. Ein Abrissunternehmen führte nach sorgfältigem Abstützen im Dachstuhl den glatten Schnitt durch, es blieben das Wohnhaus und ein paar Meter der Scheune. Eine F-90-Mauer schloss die offene Seite, eine Brandwand, für den Fall, dass irgendwann direkt daneben wieder gebaut wird.

Die ungewöhnliche Form des Hauses ist Ergebnis dieses glatten Schnitts durch die Scheune.
Die ungewöhnliche Form des Hauses ist Ergebnis dieses glatten Schnitts durch die Scheune. Foto: Bauherrin

Neuer Wärmeschutz

„Die zweischalige Außenwand des Bestands ist fast fünfzig Zentimeter stark…“, so Kiehl, „… nach der damals gültigen Energie-Einspar-Verordnung war nachträgliche Dämmung nicht erforderlich.“ Ohnehin hätte der ungewöhnlich schmale Luftspalt zwischen tragender Mauer und Vormauer kaum Dämmstoff aufnehmen können.

Gegen die Enge und die Dunkelheit: Im Erdgeschoss wurden Zwischenwände entfernt, Unterzüge eingesetzt und Fensterbrüstungen beseitigt.
Gegen die Enge und die Dunkelheit: Im Erdgeschoss wurden Zwischenwände entfernt, Unterzüge eingesetzt und Fensterbrüstungen beseitigt. Foto: Stefan Fister

Zum Ausgleich wurde die alte Ölheizung gegen einen Gas-Brennwertkessel getauscht, das Dach mit 14 Zentimetern Mineralwolle zwischen den Sparren isoliert, zusätzlich wurden alle Fenster durch Wärmeschutzfenster ersetzt. Und damit sämtliche KfW-Förderbedingungen erfüllt.

Eine Spezialfirma nahm sich des alten Terrazzobodens an, schliff und polierte, bis er wieder glänzte.
In der Diele: Eine Spezialfirma nahm sich des alten Terrazzobodens an, schliff und polierte, bis er wieder glänzte. Foto: Stefan Fister

Innenbereich

Neben den Arbeiten für Profis, wie Heizungstausch, Teilabriss, Aufmauern der neuen Außenwand, Abschleifen des Terrazzobodens in der Diele, blieb für Barbara Chao-Barbeito und ihr Team noch mehr als genug zu tun. Jeden Tag nach Feierabend und an jedem Wochenende war Baustellenzeit.

Im Obergeschoss, mit den vom Fließestrich befreiten Dielen.
Im Obergeschoss, mit den vom Fließestrich befreiten Dielen: Die Bauherrin lädt gern Freundinnen zum gemeinsamen Malen ein. Foto: Stefan Fister

Zum Lohn der Mühe gehörte das Staunen der Besucher, der Nachbarn und Bekannten. Angesichts des Ergebnisses ist es kein Wunder, wenn manche Lust auf ein ähnliches Abenteuer bekamen und bekommen. Architekt Kiehl weist indes ausdrücklich auf die besonderen Umstände hin: Da die Immobilie in der Stadt liege, im Innenbereich, und der Bebauungsplan wenige Vor­gaben machte, waren Umgestaltungen rechtlich kein Problem. Im Außenbereich hingegen, auf dem Land, gelte § 35 BauGB, der Umnutzungen enge Grenzen setze.

 Im Obergeschoss blieb der Grundriss unverändert, nur die Nutzung änderte sich radikal.
Das Bad, ehemals ein Schlafzimmer: Im Obergeschoss blieb der Grundriss unverändert, nur die Nutzung änderte sich radikal. Foto: Stefan Fister

Mit Vorsicht genießen

Auf dem Land sei man hier nur gefühlt, so die Bauherrin, die zuvor mitten in der trubeligen Innenstadt Lippstadts gewohnt hatte, trotzdem genießen sie und ihr Partner die neue Umgebung in vollen Zügen. Von einem gemütlich Plätzchen am Heizkamin aus beobachten sie im Herbst die Eichhörnchen, ihre beiden Hunde tollen durch Haus und Garten, ehemalige Straßenhunde aus Spanien, schlaue Kerle. Nur dass man Hornissen besser in Ruhe lässt, mussten sie kürzlich noch lernen. Die hatten sich im Dachgeschoss eingemietet; weil sie unter Artenschutz stehen, darf man die Nester nicht eigenmächtig entfernen. Nein, auf dem Land sei man nicht, „… aber mitten in der Natur. Und mit der arrangiert man sich eben.“

 Einst mit einer Scheune verbunden, ist es heute ein Solitär, wurde ansonsten außen kaum verändert. Innen allerdings sehr.
Foto: Stefan Fister

Umbau-Daten

Baujahr Altbau: 1936
Umbau: Juni – Dez. 2005 Bauweise
Bestand: massiv (zweischalige Wand)
Baustoffe Bestand, konstruktiv: Ziegel, Holz Bauweise
Umbau: massiv (F-90-Brandschutzwand)
Baustoffe Umbau, konstruktiv: Hochlochziegel
Dämmung: Dachdämmung (14 cm Mineralwolle) Baustoffe
Ausbau: Landhausdielen, Kalkputz, Mineralfarben
Fassade: Klinker-Vormauer
Heizung vorher: Öl-Niedertemperatur-Kessel
Heizung nachher: Gas-Brennwertkessel, Heizkamin
Wohnfläche vorher: ca. 160 m²
Wohnfläche nachher: ca. 240 m²
Umbaukosten: ca. 90.000 €
Umbau-Planung: Dipl.-Ing. (FH) Reiner Kiehl, Architekturbüro Reiner Kiehl

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Foto: Stefan Fister links: EG rechts: OG

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