Drei Jahre Leerstand konnten diesem soliden Bauernhaus nicht wirklich etwas anhaben. Einst mit einer Scheune verbunden, ist es heute ein Solitär, wurde ansonsten außen kaum verändert. Innen allerdings sehr.

Jetzt musste einer der Baumarkt-Angestellten einfach mal nachfragen: „Was macht ihr da eigentlich?“ Barbara Chao-Barbeito und ihre Helfer hatten gerade die wer-weiß-wievielte Packung Schleifscheiben abgeholt. Aber es waren ja schließlich im kompletten Obergeschoss ihres Altbaus satte sechs Millimeter Fließestrich von den Dielenbrettern zu holen. Ein Mühe, die die Bauherrin gerne auf sich nahm, und die federnden, fußwarmen Dielen, nach dem Einpflegen hell und ansehnlich, geben ihr Recht.

Ein gutes halbes Jahr lang war sie mit Freunden und Kollegen mit Fleiß in dem alten Bauernhaus im westfälischen Lippstadt zugange, neben dem Schleifen unter anderem mit Stemm- und Schlitzarbeiten beschäftigt, Wanddurchbrüchen und – bevor es überhaupt richtig losgehen konnte – mit Entrümpeln. Auch mussten zu Beginn ebenso fleißige Ameisen hinauskomplimentiert werden, zusammen mit den Spinnen, Asseln, Vögeln und Fledermäusen.

Warmes Interieur im Bauernhaus
Ein Haus in der Stadt und doch im Grünen, das Flora und Fauna in drei Jahren des Leerstands zumindest in Ansätzen erobert hatten. Heute bilden Büsche und Bäume nur noch einen hübschen Rahmen für den roten Ziegelbau. Die Klinker der Vormauer sind nicht durchweg Ton in Ton, zum Glück, da und dort lockert ein dunkler Fehlbrand die Optik auf.

Wer neu baut und eine derart reizvolle, abwechslungsreiche Fassade haben will, bestellt eigens handsortierte, „bunte“ Chargen, nicht ganz billig. Hier ist alles Original. Die Haustür liegt etwas zurückgesetzt im Windfang, gut geschützt, sodass man auch bei Regen im Trockenen nach dem Schlüssel suchen kann.An grauen, nassen Tagen dürfte es pure Labsal sein, in ein Interieur wie dieses zu treten, in dem nur noch wenig an die Zeit vor dem Umbau erinnert. Weiße Wände und Decken, helle Landhausdielen im Erdgeschoss, allem voran jedoch die Bilder der Hausherrin, in warmen Farben, schaffen ein fröhliches, aufmunterndes Ambiente.

Im Erdgeschoss erschließen sich vom mittig gelegenen Flur aus links der Wohnbereich, rechts der Koch-Ess-Bereich, beide großzügig bemessen, zwei Stahlunterzüge verraten, dass dafür Innenwände geopfert worden sind. Weiter hinten findet man ein kleines Bad, Abstellraum und eine Treppe, die in den Teilkeller führt. Dem nach Südwesten weisenden Wohnbereich wurde außen ein Wintergarten angegliedert, dem Koch-Ess-Bereich nach Nordosten eine überdachte Terrasse; alle Fenster sind im Erdgeschoss bodentief. Oben wurden Schlaf- und Gästezimmer, ein größeres Bad sowie das Atelier eingerichtet, im Dachgeschoss und in den Spitzböden weitere Gästebereiche.

Teilabriss
2005 nahezu eingewachsen, war das Gebäude dennoch der Aufmerksamkeit von Barbara Chao-Barbeito nicht entgangen, die sich eines Tages den Weg bis zu Hauseingang und Klingelschild freikämpfte, um die Eigentümer ausfindig machen zu können. Damals allerdings war es mit einem mehr als doppelt so großen Wirtschaftsteil verbunden, und die Eigner, stur, wie Westfalen nun einmal sein können, wollten partout am Stück verkaufen.

Ein viel zu großer Brocken – Frau Chao-Barbeito hatte drei Monate hart zu verhandeln, bis der Erfolg kam. Sie zog Architekt Reiner Kiehl hinzu, der dem Haus von 1936 eine grundsolide Substanz bescheinigte. Ein Abrissunternehmen führte nach sorgfältigem Abstützen im Dachstuhl den glatten Schnitt durch, es blieben das Wohnhaus und ein paar Meter der Scheune. Eine F-90-Mauer schloss die offene Seite, eine Brandwand, für den Fall, dass irgendwann direkt daneben wieder gebaut wird.

Neuer Wärmeschutz
„Die zweischalige Außenwand des Bestands ist fast fünfzig Zentimeter stark…“, so Kiehl, „… nach der damals gültigen Energie-Einspar-Verordnung war nachträgliche Dämmung nicht erforderlich.“ Ohnehin hätte der ungewöhnlich schmale Luftspalt zwischen tragender Mauer und Vormauer kaum Dämmstoff aufnehmen können.

Zum Ausgleich wurde die alte Ölheizung gegen einen Gas-Brennwertkessel getauscht, das Dach mit 14 Zentimetern Mineralwolle zwischen den Sparren isoliert, zusätzlich wurden alle Fenster durch Wärmeschutzfenster ersetzt. Und damit sämtliche KfW-Förderbedingungen erfüllt.

Innenbereich
Neben den Arbeiten für Profis, wie Heizungstausch, Teilabriss, Aufmauern der neuen Außenwand, Abschleifen des Terrazzobodens in der Diele, blieb für Barbara Chao-Barbeito und ihr Team noch mehr als genug zu tun. Jeden Tag nach Feierabend und an jedem Wochenende war Baustellenzeit.

Zum Lohn der Mühe gehörte das Staunen der Besucher, der Nachbarn und Bekannten. Angesichts des Ergebnisses ist es kein Wunder, wenn manche Lust auf ein ähnliches Abenteuer bekamen und bekommen. Architekt Kiehl weist indes ausdrücklich auf die besonderen Umstände hin: Da die Immobilie in der Stadt liege, im Innenbereich, und der Bebauungsplan wenige Vorgaben machte, waren Umgestaltungen rechtlich kein Problem. Im Außenbereich hingegen, auf dem Land, gelte § 35 BauGB, der Umnutzungen enge Grenzen setze.

Mit Vorsicht genießen
Auf dem Land sei man hier nur gefühlt, so die Bauherrin, die zuvor mitten in der trubeligen Innenstadt Lippstadts gewohnt hatte, trotzdem genießen sie und ihr Partner die neue Umgebung in vollen Zügen. Von einem gemütlich Plätzchen am Heizkamin aus beobachten sie im Herbst die Eichhörnchen, ihre beiden Hunde tollen durch Haus und Garten, ehemalige Straßenhunde aus Spanien, schlaue Kerle. Nur dass man Hornissen besser in Ruhe lässt, mussten sie kürzlich noch lernen. Die hatten sich im Dachgeschoss eingemietet; weil sie unter Artenschutz stehen, darf man die Nester nicht eigenmächtig entfernen. Nein, auf dem Land sei man nicht, „… aber mitten in der Natur. Und mit der arrangiert man sich eben.“

Umbau-Daten
Baujahr Altbau: 1936
Umbau: Juni – Dez. 2005 Bauweise
Bestand: massiv (zweischalige Wand)
Baustoffe Bestand, konstruktiv: Ziegel, Holz Bauweise
Umbau: massiv (F-90-Brandschutzwand)
Baustoffe Umbau, konstruktiv: Hochlochziegel
Dämmung: Dachdämmung (14 cm Mineralwolle) Baustoffe
Ausbau: Landhausdielen, Kalkputz, Mineralfarben
Fassade: Klinker-Vormauer
Heizung vorher: Öl-Niedertemperatur-Kessel
Heizung nachher: Gas-Brennwertkessel, Heizkamin
Wohnfläche vorher: ca. 160 m²
Wohnfläche nachher: ca. 240 m²
Umbaukosten: ca. 90.000 €
Umbau-Planung: Dipl.-Ing. (FH) Reiner Kiehl, Architekturbüro Reiner Kiehl
