Erbaut auf einem „unbebaubaren“ Grundstück, unter mehrfachem Verstoß gegen althergebrachte Gestaltungsregeln, dient dieses Haus in erster Linie den Bewohnern, nicht den Betrachtern. Es fand aber trotzdem schon so einige Bewunderer.
Seit den späten 1980er Jahren pilgern Architekten und neugierige Bauherren nach Vorarlberg, ins kleine Bundesland im Westen Österreichs, ins „Ländle“. Um aufregende, ästhetisch mutige Bauten zu sehen, in einer Dichte vorhanden wie sonst nirgendwo auf der Welt. Ein jüngeres Beispiel wäre dieses Objekt in Hohenems, ein schwarzer Quader mit Überlänge, mit dem sein Schöpfer, Juri Troy, unter anderem 2015 den Vorarlberger Holzbaupreis holte.

Messlatte
Selbstbewusst weist das Gebäude auch noch auf seine beachtliche Ausdehnung hin, mit einer Skala aus Stahlschrauben, die ein Fassadennetz aus Polyethylen halten, eingetrieben in Abständen von jeweils zehn Zentimetern, mit zwei Schraubenköpfen über jedem zehnten, zur Markierung des vollen Meters. Wer nicht glaubt, dass es 37 – in Worten: siebenunddreißig – Meter sind, darf die Messlatte abschreiten.

Ausmaße und Form sorgen für einen starken Kontrast zur Umgebungsbebauung, kaum weniger aber das Anthrazit des Polyethylen-Gewebes. Nur am Durchgang zum Garten, der das Erdgeschoss unterbricht und in dem sich die beiden Eingänge befinden, sowie an den beiden Enden, verrät der Quader, was hinter dem Gewebe steckt: pures Holz, helle Fichte.

Block mit Unterbrechung
Die Fenster, in unterschiedlichen Größen, sind unregelmäßig über die Fassade verteilt, der Monolith ist überhaupt von allerlei scheinbar willkürlich gesetzten Aussparungen und Öffnungen geprägt. Über dem Durchgang entdeckt man bei genauerem Hinsehen hinter dem Fassadengewebe im Obergeschoss – nichts, Luft. Hier wurde eine Dachterrasse eingefügt, das Netz fungiert lediglich als Sichtschutz. Sie und der Durchgang bilden zusammen einen Puffer zwischen Wohnbereich und Arbeitsbereich, dem Büro der Bauherrin, Grafik-Designerin von Beruf. Die Terrasse sorgt zudem mit ihren bodentiefen Verglasungen und Glastüren für Lichteinfall von oben, denn im Südosten nimmt eine Felswand den Häusern zu ihren Füßen Tageslicht. Innen wurden die dennoch hellen Räume entlang eines durchgehenden Flurs aufgereiht, sinnig, bei einem derart schmalen Baufenster.

Hindernisse beflügeln
Anfangs sei ihm ein wenig mulmig zumute gewesen, gibt Troy zu, angesichts des Grundstücks von zwölf mal 62 Metern. Eine bessere Landebahn für Modellflugzeuge. Wie immer begann er mit Zeichnungen in seinem Skizzenbuch, und trotz – oder wegen – der schwierigen Ausgangslage wuchs da etwas, ein radikales, ein einleuchtendes Konzept. Schwierige Startbedingungen beflügeln den kreativen Prozess: 2010 hat der Planer im Auftrag eines Fensterherstellers das nach Angaben des Unternehmens erste Energie-Plus-Haus Österreichs entworfen, dank seiner ungewöhnlichen Form Sonnenfänger par excellence, auf einem Grundstück mit dafür denkbar schlechten Voraussetzungen.

Kleiner Fußabdruck
Der schwarze Quader spielt energetisch nicht in der gleichen Liga, ist dabei nichtsdestotrotz ein Muster an Genügsamkeit, verfügt über Passivhausfenster, eine satte Dämmung aus Zellulose und Schafwolle (in der Installationsebene), sowie eine Erd-Wärmepumpe, effizienter als die Außenluft-Wärmepumpe. Genauso ein Muster an Nachhaltigkeit: Die Fichten für Wände, Boden Decken und Dach kommen aus der Region, binden jede Menge CO2, der geringe Energiebedarf resultiert dazu in einem niedrigen CO2-Ausstoß.

Sparsamkeit im Einfamilienhaus
Juri Troy, geboren und aufgewachsen in Bregenz, mittlerweile mit seinem Hauptbüro in Wien, verlässt sich auch heute noch bevorzugt auf Zimmerer aus seiner Heimat. In der anerkannt hohen Qualität der Vorarlberger Handwerker, die auf einer langen Holzbautradition beruht, sehen Kenner eine der Voraussetzungen für den Erfolg dieser Architektur.

Sowie darin, dass die Vorarlberger nie von der Natur verwöhnt wurden: als Bauwie als Heizmaterial stand nur der nachwachsende Rohstoff zur Verfügung, und nicht gerade überreichlich. Irgendwie nun beeinflusste die erzwungene Sparsamkeit nicht nur den Umgang mit Ressourcen, sondern auch den Stil, nüchtern, pragmatisch und puristisch. Für beides wurde man außerhalb des Ländles belächelt, erinnert sich Troy. Bevor man, ab den 1980ern, plötzlich gefeiert wurde.

Schönheit von innen
Vielleicht, weil dieser Purismus nie in Langeweile ausartet. An seinen Entwürfen gefalle ihr gerade das Asymmetrische, so das Kompliment einer amerikanischen Journalistin in einem Interview mit dem Architekten. Darauf Troy bescheiden: Es entstehe von innen heraus, aus den Bedürfnissen der Bewohner und aus der Lage der Objekte.

Anordnung und Formate der Fenster des Hohenemser Quaders seien der Suche nach der optimalen Belichtung geschuldet, sollten überdies die schönsten Ausblicke bieten, zum Beispiel im Nordwesten aufs Rheintal und die Schweizer Berge, im Südosten auf die Burgruine Alt-Ems. Luxus, wo er sein muss. Aus Sparsamkeit musste wohl dagegen die Länge des Quaders gleich als Name herhalten. Doch so kurz und so trocken der ist, in der Vorarlberger Szene ist „37m“ schon eine kleine Berühmtheit.

BAUTAFEL

Planungszeit: Februar 2012 – Mai 2013
Bauzeit: Mai – Dezember 2013
Bauweise: Holzbau
Wohnfläche: EG ca. 72,50 m², OG ca. 82,50 m²; Büro EG ca. 24 m², OG ca. 24 m²
Baustoff, konstruktiv: Holz
Dämmung: Zelluloseflocken, Schafwolle (Installationsebene)
U-Werte der Außenwände: ca. 0,13 W/(m²K)
U-Wert der Fenster (im Mittel): ca. 0,76 W/(m²K)
Haustechnik: Sole/Wasser-Wärmepumpe (1 Sonde, 120 m)
Jahres-Primärenergiebedarf: ca. 96 kWh/(m²a)
Jahres-Endenergiebedarf: ca. 36 kWh/(m²a)
Baukosten: auf Anfrage
Architekt: Arch. Mag. Juri Troy
Oben: EG; Unten: DG Foto: Troy