
Wer ein Haus kaufen oder mehr aus seinem eigenen Altbau machen will, der sollte dessen Vorgeschichte kennen. Denn je nach Baujahr, Bauweise und Art der Sanierungen ergeben sich andere Risiken – und Möglichkeiten.
Häuser sind immer für Überraschungen gut, für schöne und für böse Überraschungen. Und man sollte nicht denken, dass es nur die Neubesitzer trifft – selbst Eigentümer, die seit Jahrzehnten zwischen ihren ach so vertrauten vier Wänden leben, wissen manchmal nicht, was in diesen Wänden steckt. Sind sie klug, ziehen sie vor größeren Sanierungs- oder Modernisierungsarbeiten einen erfahrenen Gutachter zurate. Der kann ihnen manchmal, ohne es überhaupt gesehen zu haben, einige interessante Dinge über ihr Domizil verraten. Oft reicht ihm dazu sogar das Baujahr. Wie er das macht? Sicher, jedes Haus ist anders, aber es gibt so etwas wie Familienähnlichkeiten, Merkmale oder Gruppen von Merkmalen, die Häuser bestimmter Epochen oder Jahrgänge auszeichnen. Anhand derer man sie in Kategorien, in Typen unterteilen kann. Das ist ebenso hilfreich für diejenigen, die sich gerade in ein „Juwel“ verguckt haben, schon halb seinem Charme erlegen sind, die aber dennoch wissen wollen, was an finanziellem Aufwand und eventuell an Arbeit auf sie zukommt.

Energetische Qualität
Mit Charme allerdings haben Kommunen nichts im Sinn, wenn sie ihre Haustypologien erstellen. Sie wollen sich lediglich einen Überblick über die energetische Qualität ihres Gebäudebestands verschaffen. Nicht selten wird er schlicht nach Baujahren in Klassen eingeordnet. Das hat insofern seine Berechtigung, als die Bauweisen sich im Laufe der Jahrzehnte und Jahrhunderte stark gewandelt haben. Historische Fachwerkhäuser, viele 150 Jahre alt und älter, haben andere Energieverluste als Häuser der Gründerzeit. Ihre eher dünnen Wände bestehen aus einem Holzgerüst, das üblicherweise mit einem Lehm-Stroh- Gemisch gefüllt wurde und daher nur einen bescheidenen Wärmeschutz bietet. Die manchmal 40 Zentimeter und dicker ausfallenden Vollziegel-Wände von Gründerzeitgebäuden stehen in dieser Hinsicht nur ein wenig besser da, auch die Häuser der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts besaßen mit ihren rein massiven Wänden keinen überragenden Wärmeschutz.

Nachkriegsjahrzehnte
Und direkt nach dem Krieg nahm die Qualität drastisch ab, aus Mangel an Material. Als es wieder zur Verfügung stand, verhinderte billiges Heizöl energetisch sinnvolles Bauen, die Wände blieben schmal und wärmedurchlässig. Erst ab 1978, ab dem Inkrafttreten der ersten Wärmeschutz-Verordnung, ausgelöst durch die Ölkrise, ging es wirklich bergauf. Schritt für Schritt, bis zum heute von der Energie-Einspar-Verordnung (EnEV) vorgeschriebenen Niedrigstenergiehaus. Vor 1978 errichtete Häuser verbrauchen unter Umständen zehnmal soviel Heizenergie wie heutige Neubauten. Doch bereits Gebäude der Achtziger, meint Dipl.-Ing. Thomas Weber vom VPB, dem Verband Privater Bauherren e.V., böten passable Dämmwerte.

Schadstoffe
Neben dem Baujahr, so Weber, müsse man zusätzlich die Phasen der Sanierung berücksichtigen, mit ihren typischen Materialien und Baustoffen. Häuser werden bekanntlich nie fertig, werden im Schnitt alle 30 Jahre renoviert. Ähnlich wie Bäume können sie so ihre „Jahresringe“ vorweisen. Leider konnten diese Maßnahmen erhebliche Schadstoffbelastungen mit sich bringen.

Wie in Form des einstigen Wunderbaustoffs Asbest, krebserregend, von der Nachkriegszeit bis in die Achtziger reichlich verwendet, als Dämmstoff, als Zusatz in Putzen oder in Bodenbelägen, erst 1993 verboten. Mit Platten aus Asbestfaserzement verkleidete man Fachwerkhäuser und erschwerte so das Austrocknen, was zur Holzfäule führte. Bis in die Siebziger setzte man ausgiebig Holzschutzmittel ein, die Lindan oder Pentachlorphenol (PCP) enthielten. Giftig das eine, giftig und krebserregend das andere. Belastungen, die teuer und aufwendig beseitigt werden müssen.

Ausbaumöglichkeiten von Altbauten
Trotzdem kann es sich lohnen, eine Schadstoffsanierung durchzuführen, denn auch in belasteten Objekten locken bisweilen erstaunliche Um- und Ausbaumöglichkeiten. Es ist kein Wunder, dass Architekten bevorzugt in Gründerzeitbauten wohnen: die hohen Decken bedeuten Kopffreiheit, die neutralen Grundrisse – die Einteilung der Geschosse in Räume ähnlicher Größe und ähnlichen Zuschnitts – erlauben flexible Nutzung. Die Dächer, oft Mansarddächer, bieten sich geradezu zum Ausbau an. Deckenhöhen spielen fürs Wohn- und Wohlgefühl eine große Rolle, weswegen der Charme von Fachwerkbauten nicht auf jeden wirkt. In diesem Punkt gilt jedoch auch die Bausubstanz der Nachkriegsjahrzehnte als schwierig.

Zudem müsse man bei manchen Siedlungshäusern dieser Zeit der Materialknappheit das Dach besonders kritisch unter die Lupe nehmen, sagt Klaus-Jürgen Edelhäuser, Vorsitzender des Arbeitskreises „Denkmalpflege und Bauen im Bestand“ der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau. Die einfachen Sparrendächer seien häufig mit schwächsten Hölzern gezimmert worden, zu instabil, um im Zuge eines Dachausbaus Dämmung und Bauplatten zu tragen. Edelhäuser bricht aber doch eine Lanze für Häuser der Wirtschaftswunderjahre. Ihre berüchtigten, kleinräumigen Grundrisse ließen sich in den meisten Fällen anpassen, da sie nur wenige tragende Innenwände besäßen. Wirklich Klarheit über eine Immobilie bekomme man indes erst, wenn sie ein Gutachter vom Keller bis zum Dach durchgecheckt habe. Dokumente und Unterlagen hälfen ihm, sich ein Bild zu machen, vor allem die alten Eingabe- und die Werkpläne seien wichtig, so Edelhäuser.

Neuanfang
Stellt sich jedoch heraus, dass das Haus vom Keller bis zum Dach ein einziges Problem ist, listet der Gutachter die Kosten einer eventuellen Sanierung und Modernisierung auf und senkt den Daumen, steht die Option Ersatzneubau im Raum. Beispiele von Modernisierungsversuchen, bei denen die Serie böser Überraschungen nicht abriss, kennen die VPB-Berater zur Genüge. Besser also, man zieht dann die Notbremse und fängt neu an. Bevor man sämtliche Ausgaben für die Modernisierung als Lehrgeld verbuchen muss.

Frag die Bauingenieurin
Gute Tipps und Anregungen sowie Adressen von erfahrenen Fachkräften bekommt man neben den Architektenkammern auch von den Landeskammern der Bauingenieure. Wer zum Beispiel in Bayern lebt, kann sich an die dortige Kammer mit Sitz in München wenden. Sie bietet überdies auf Ihrer Website die Broschüre „Baudenkmal und Energie“ zum Download an (unter www.bayika.de, dann „Service und Beratung“, dann „Publikationen und Bestellung“). Ansprechpartnerin: Frau Irma.
„Keine Angst vorm Denkmal“
Der VPB, der Verband Privater Bauherren e.V., berät seine Mitglieder in Fragen des Bauens und des Modernisierens, aber auch zum Hauskauf. Die Beraterinnen und Berater begutachten mit Eigentümern, die sanieren oder modernisieren wollen, oder mit Kaufinteressenten auf Wunsch die jeweiligen Objekte. Vorher legt man jedem, der eine Immobilie zur Eigennutzung sucht, nahe, sich zuerst darüber klar zu werden, was er und seine Familie von ihrem zukünftigen Haustraum erwarten: Brauchen wir einen Keller? Muss das Haus barrierefrei sein, jetzt oder in Zukunft? u.s.w. – und sich dann genauer anzuschauen, welche Immobilie den eigenen Vorstellungen entsprechen könnte. Zu diesem Zweck hat der Verband bisher vier Broschüren herausgegeben, die sich mit den Eigenheiten bestimmter Haustypen befassen: Leitfaden zur Sanierung eines Fachwerkhauses
• Leitfaden zur Sanierung eines Hauses aus dem 19. Jahrhundert
• Leitfaden zur Sanierung eines Siedlungshauses aus der Zeit nach 1900
• Leitfaden zur Sanierung von Nachkriegshäusern
Zu beziehen über die Website des Verbandes, Schutzgebühr jeweils 5 Euro. VPB – Verband privater Bauherren e.V.