Mit den Kindern war alles riesig: Haus, Garten, Keller und Garage. Als zwei Kinder das „Nest” verließen, entschieden sich die Eltern, ein neues, kleineres zu suchen – mit Erfolg.
In einem sehr großen Haus zu leben bietet viel Lebensqualität. Vor allem, wenn es sich um eine Familie mit drei Kindern handelt. Ein riesiger Garten mit eigenem Fußballfeld, im Riesenkeller und der Riesengarage Platz für Sportutensilien, dazu ein riesiger Weinkeller.

Das Ehepaar wollte auf keinen Fall weiter in diesem großen Haus wohnen, wenn die Kinder ausgezogen sind. Ein Haus muss bewohnt und belebt sein, so ihre Meinung. Und zwei Kinder waren schon ausgezogen.
Deshalb wollten sie vorsorgen. Ganz ohne Eile begannen sie nach einem geeigneten Objekt Ausschau zu halten. Einige Jahre lang blickten sie auf viele Angebote: alte Häuser, neue Häuser, Wohnungen. Nichts davon entsprach ihren Vorstellungen.
Traumhaus per Zufall

Wie überall und ganz besonders im Ballungsraum Stuttgart scheint es heutzutage fast unmöglich, alle Wünsche erfüllt zu bekommen. Ruhig, möglichst in der Stadt und trotzdem im Grünen. Auf keinen Fall eine „Designbude“ aus Metall und Glas sollte es sein. Die Bewohner bevorzugten Dinge mit Patina, denen man ansieht, dass sie schon gelebt haben.
Durch Zufall entdeckte der Bauherr eine Anzeige: „Lass uns das mal anschauen!“ Eher als Versuch gedacht, denn aus Überzeugung, brachte die Annonce sie zu ihrem Traumhaus. Die Bauherrin verliebte sich sofort in den steilen Weinberggarten, der „so viel unterschiedliche Sitz- und Aussichtsmöglichkeiten bietet”. „Wie im Urlaub“, meint sie dazu.
Kurze Wege im Kessel


Die berühmte „Halbhöhenlage“ im Stuttgarter Kessel macht es möglich. Und weil der Kessel so eng ist, sind die Wege kurz. Zur Arbeit für den Bauherren, der statt zu pendeln jetzt mit der Vespa zur Arbeit brausen kann. Für die Bauherrin ideal: Kino, Oper oder Kunstmuseen finden sich „um die Ecke“, vom Restaurant geht man zu Fuß nach Hause.
Es hieß schnell zuzugreifen, obwohl die Bauherren den Umzug gerne noch ein bisschen hinausgezögert hätten. Zwei Jahre lang vermieteten sie das neue, kleinere Haus an die zwei großen Kinder. Die Eltern und der dritte Spross blieben im alten Heim. Als das dritte Kind die Schule wechseln sollte, war das die Chance, in den Stuttgarter „Kessel” zu wechseln und jetzt zu dritt etwas zu verändern. Die zwei Großen suchten sich eine andere Bleibe.
Gute Bausubstanz

Das Haus in der „Halbhöhenlage“ bot eine gute Substanz. In den 1990er Jahren waren alle wichtigen Versorgungselemente erneuert worden, wenn auch teilweise sehr unzureichend. Beim Grundriss damals hatte man sich für eher kleinteilige Räume entschieden. Die Architektin Gisela Mühlhöfer entfernte einige Wände, um so den offenen Wohnraum zu schaffen, der heute die Wohnqualität bestimmt.
Für das Paar bedeutete der Umzug eine große Umstellung. Die Wohnfläche halbierte sich. Die Bauherrin wünschte sich vor allem in der Küche ganz viel Stauraum. Mittlerweile hat man sich an das geschrumpfte Platzangebot gewöhnt und viele Schränke bleiben leer.
Große Holzfenster

Das kleinere Haus wirkt gemütlich und erzeugt ein wohliges Gefühl, selbst wenn man nur zu zweit ist. Von allen Seiten strömt Licht herein. Die Abendsonne spielt dabei eine ganz wichtige Rolle. Sie stand ganz oben auf der Wunschliste für den Hauskauf.
Für die Fenster nutzte die Architektin alles, was Statik und Stützen hergaben. Sie tauschte die Kunststofffenster gegen Holzfenster aus und vergrößerte die Fensterflächen, teilweise von vorher 80 Zentimetern auf 1,40 Meter Breite. Im Bad zog sie die Brüstung nach unten und spitzte den Betonsockel an der Fensterbank aus.
Dadurch wirkt es, als wäre es immer schon so gewesen. Die Küche wurde ins Zentrum der Etage verlegt. Ideal, weil die Familie gerne Gäste und Koch-Gesellschaften empfängt. Die offene Küche erlaubt es auch, dass man nicht „gegen die Wand“ kochen muss, Weitblick inklusive. Die ganze Etage fungiert als Lebensraum, die Wege vom Esstisch zur Küche oder dem Sofa sind kurz.
Wohnen im Boho-Stil

Nach einem Umzug erwarten Freunde auch neue Möbel. „Nein, wir nehmen das Leben mit”, war darauf die Antwort der Bauherren. Es sollte ein Bohemian-Haus werden, im beliebten Boho-Stil.
Dieser steht für unkonventionelles Wohnen im unperfekten Look: Eine Mischung aus Erbstücken, Flohmarktfunden und Urlaubserinnerungen macht den besonderen Charme der Einrichtung aus, die sich an Mix & Match orientiert.

Eine sehr menschliche Umgebung statt staubfreiem Designer-Chic mit glatten Schrankoberflächen, hinter denen alles versteckt wird. Alle sind froh und zufrieden mit der neuen Wohnlösung. Und Architektin Gisela Mühlhöfer ganz besonders.
Baujahr: 1930er Jahre
Wohnfläche: 185 Quadratmeter
Ausstattung:
Heizkörper: Arbonia,
Fliesen Bad: Mosa
Wasseraufbereitung: Kalkfilter im Keller, Umkehrosmosefilter in der Küche
Planung: Dipl. Ing. Architektin/Baubiologin Gisela Mühlhöfer