
Der Weg, an dem das Duo aus Alt- und Neubau liegt, ist verkehrsberuhigt, die Fußgänger haben Zeit, sich ein Bild zu machen. Regelmäßig gibt es Komplimente, vor allem für den dezent modernisierten Barockbau.
Should auld acqaintance be forgot …“, so habe es mindestens einmal bis hinauf ins Schlafzimmer geschallt, bierselig, dabei textsicher, einigermaßen sauber intoniert und in akzentfreiem Englisch. Das Haus, in dem Melanie und Thomas Bertram mit ihrer kleinen Tochter wohnen, liegt direkt an einer für Autos gesperrten Straße am Rande der Altstadt von Bad Homburg. Viele Touristen kommen hier vorbei, tagsüber und nachts, auf dem Weg in die historische Innenstadt oder, leicht angeheitert, wieder auf dem Weg zurück ins Tal. Leidgeprüft könnte man Bertrams nennen, aber sie finden die gelegentlichen Gesangseinlagen ganz originell.

Partnerlook
Die Nachtschwärmer allerdings verpassen etwas. Der Barockbau mit Mansarddach der jungen Familie und der Neubau mit Satteldach direkt darunter am Hang bilden ein gelungenes Beispiel der Kombination von Alt und Neu, verbunden durch die verglaste Erweiterung des Altbaus. Sie tragen Partnerlook, die Dacheindeckungen bestehen jeweils aus Biberschwanzziegeln im selben Rotton, die Putzfassaden sind weiß gestrichen, die Verkleidungen der Giebelwände und des Eingangsbereichs des Neulings und die Verkleidungen der Gauben des Altbaus zeigen ein identisches erdiges Grau, Milano Grigio. Ein unterhalb der Traufe umlaufender Sims ist hier wie dort in hellem Grau, in Marill gehalten, das auch für Fensterläden und Sockel des historischen Gebäudes gewählt wurde.

Kinderfreundliche Lage
Bertrams, 2014 aus beruflichen Gründen von Berlin nach Bad Homburg gezogen, mussten nicht lange überlegen, als sie Haus und Umgebung sahen. Unterschrieben den Mietvertrag und zogen ein, obwohl ein Teil des Grundstücks noch Baustelle war. Direkt gegenüber liegen Schloss und Schlosspark mit See, zum Kindergarten des Töchterchens läuft man wenige Meter bergab. Zu Fuß ist man in fünf Minuten im Zentrum, in 25 Minuten mit dem Auto in Frankfurt, in 25 Minuten am Frankfurter Flughafen. Kurz nachdenken musste dagegen Georg Berentz, Bauherr und Eigentümer, bevor er daranging, das Projekt in seiner heutigen Form umzusetzen.

Weder die barocke Substanz noch das Gebäude unterhalb, von 1840, ließen Sanierung und Modernisierung lohnend erscheinen. Das sah der Denkmalschutz anders: Was das jüngere Objekt angehe, käme ein Ersatzneubau infrage, der ältere sei zu erhalten, basta! Berentz und Architekt Marcus Merwald, vom Koblenzer Büro Merwald und Partner, berieten sich. Der mehr als 200 Jahre zählende Bau bot geizige 80 Quadratmeter Wohnfläche, einen Grundriss mit kleinen und kleinsten Kammern und Kämmerchen, viele der Innenwände waren tragende Wände. Noch stärker ins Gewicht fielen für den Auftraggeber die niedrigen Decken, die für ein Gefühl der Beengtheit sorgten. Am Ende jedoch kam man zu dem Ergebnis, dass der Aufwand sich auszahlen werde.

Zwischen Altbau und Neubau: Die Erweiterung des historischen Hauses, über beide Geschosse verglast, trägt die Dachterrasse. Foto: The-Uhu-Fotodesign Nick Wendt
Resolut entkernt
Überraschungen aller Art und damit Mehrausgaben kalkulieren kluge Modernisierer mit ein. Sie blieben hier nicht aus. Berentz: „Der Baugrund bestand teils aus Grünschiefer, von Natur aus kupferhaltig. Den dürfen Sie nicht einfach auf einer normalen Deponie abladen, der war gesondert zu entsorgen.“ Im barocken Bestand musste großzügig mit Stahlverstärkungen gearbeitet werden, weil so einige Innenwände auf Nimmerwiedersehen verschwanden. Der Dachstuhl war weitgehend intakt und belastbar, nur vereinzelt mussten hier und da Balken oder Bohlen ausgetauscht werden. Um Kopffreiheit zu gewinnen, entfernte man die Deckenverkleidungen und die Füllung aus Sand und Split zwischen den Deckenbalken. Die Fußbodenheizung nimmt fast nichts von der neuen Freiheit: Anstatt der üblichen, in Fließestrich verlegten Heizschlangen wurde ein in Fertigelemente aus Gipsfaserplatten eingepasstes System verwendet, mit wesentlich geringerer Aufbauhöhe.

Nah am originalen Barockbau
Außen erhielt das Häuschen eine Dämmung, von der Denkmalpflege abgesegnet. Seit je hatte sich das Fachwerk der Außenwände schamhaft hinter Putz versteckt, Fachwerk war die Sparbauweise des Mittelalters und der Neuzeit. Bescheidene vier Zentimeter Mineralwolle sind einerseits kaum zu erahnen, bringen laut Bauherr andererseits dennoch einen spürbaren Effekt.
An der überzeugenden Wirkung der Fassade haben darüber hinaus die Sprossenfenster großen Anteil, Maßanfertigungen, nach Vorgaben der Denkmalpflege hergestellt – detaillierte Vorgaben, bis hin zur Gestaltung der Profile und der Wassernasen. Sowie die Haustür. Ursprünglich wollte das Amt das Original restauriert und wieder eingesetzt sehen, doch es stellte sich als durch und durch marode heraus. Letztlich lenkten die Entscheider ein: Schallschutz, Wärmeschutz und Einbruchschutz waren starke Argumente für eine Neuanfertigung.

Dachterrasse mit Daybed
Die Deckenhöhe im historischen Teil sei eine ganz andere als die in ihrer Berliner Altbauwohnung, gibt Melanie Bertram zu, aber sie hätten sich schnell daran gewöhnt, sie bedeute keine Einschränkung. „Einer unserer Freunde misst zwei Meter, er ist öfter zu Besuch und bisher immer ohne Blessuren davongekommen …“ Gekocht und gegessen wird normalerweise im Bestand – im verglasten Anbau nebenan mit Galerie und Luftraum warten Sitzgruppe, Bücher, der Fernseher und ein großer Esstisch, für die Tage, an denen Gäste die Kernfamilie verstärken. Für die lauen Abende hat man auf dem Anbau die Dachterrasse mit Daybed, in dem Bertrams es im Sommer hin und wieder bis nach Sonnenuntergang aushalten, „… die Nacht darf nur nicht klamm werden.“ Häufiger sitze man in einem beliebten Restaurant in der Nachbarschaft, ein paar Schritte die Straße hinauf: „Da befinden wir uns noch in Reichweite des Babyphons … “ Sollte die Kleine sich melden, ist man in einer Minute im Kinderzimmer. Wenn sie nicht gerade zufällig von musikalischen Briten übertönt wird, „… we’ll take a cup o’kindness yet, for auld lang syne …“ Obwohl vielen von der Insel zur Zeit wohl nicht nach Singen zumute ist.

Umbau-Daten
Baujahr Altbau: ca. Mitte 18. Jahrhundert
Umbau: Juli 2012 – Dezember 2013
Bauweise Bestand: Fachwerk Baustoffe
Bestand, konstruktiv: Ziegel, Holz Bauweise
Umbau: Trockenbau, Massivbau
Baustoffe Umbau, konstruktiv: Holz, Hochlochziegel, Beton (u.a. neue Kellerdecke) Dämmung: Mineralwolle-Platten, 4 cm (Außenwand)
Baustoffe Ausbau: Lehmputz, Parkett Eiche massiv, Bodenfliesen, Wandfliesen (Bad) Fassade: Putz
U-Wert der Fenster vorher: > 5,0 W/(m²K)
U-Wert der Fenster nachher: ca. 1,1 W/(m²K)
Heizung vorher: Einzelöfen
Heizung nachher: Gas-Brennwertkessel, Fußbodenheizung
Wohnfläche vorher: ca. 82 m²
Wohnfläche nachher: ca. 135 m²
Umbaubaukosten: keine Angaben
Planung: Marcus Merwald, Architekt Dipl.-Ing. (FH), Merwald + Partner mbB, Architekten – Ingenieure – Sachverständige