In einem sanierten Fachwerkhaus entstand in Kombination mit einer angrenzenden Scheune das neue Zuhause für eine fünfköpfige Familie.

Das schmale Fachwerkhaus mit Scheune in Hessen ist vor mehr als 500 Jahren für Leinreiter errichtet worden, die die Schiffe flussaufwärts zogen. Jetzt entstand in dem denkmalgeschützten Ensemble zeitgemäßer Lebensraum für die ganze Familie.

Saniertes Fachwerkhaus: Wohnen im Kulturdenkmal. – Außenansicht
Das Fachwerkhaus mit Scheune wurde vor über 500 Jahren errichtet. Fotos: Ulrich Helweg/Produktion und Text: Carola Baumgarten

An ihrem ursprünglichen Wohnort, einer Remise mit kleinem Garten im Offenbacher Westend, fühlten sich Katharina und Nicolas Kremershof zu zweit sehr wohl. Für die Lehrerin und den Kommunikationsdesigner mit eigener Agentur fühlte es sich dort noch ein bisschen wie Studentenzeit an. Nicolas hat hier an der Hochschule für Gestaltung studiert. Allerdings war der alte Wohnort kein Domizil für eine wachsende Familie.

Als Levi, das älteste der drei Kinder unterwegs war, sollte es zurück in die Heimat gehen, nach Haessen. Hier ist Katharina Kremershof mit lang zurückreichender Familiengeschichte verwurzelt, denn hier wohnen auch die Eltern direkt am Marktplatz. Da sie die Enkelkinder auch von Anfang an erleben sollten und sich das Paar in dem Ort kennengelernt hatte, zog es die Familie wieder zurück.

Der Umbau des Fachwerkhauses

Saniertes Fachwerkhaus und Scheune mit großen neuen Fenstern.
Wo vorher winzige Fenster den Raum nur sparsam mit Tageslicht versorgten, öffnen sich heute zwei Schiebetüren zum Hof. Drinnen und draußen gehen ineinander über, mit Blick aufs Fachwerkhaus. Fotos: Ulrich Helweg/Produktion und Text: Carola Baumgarten

Die Suche nach einem Haus begann vor fünf Jahren in den beschaulichen Straßen und Gassen rund um den Markt. Fachwerkhäuser, kleine Cafés und Geschäfte nur ein paar Schritte vom Ufer des Mains entfernt – eine gefragte Idylle vor den Toren von Frankfurt, schwierig also.

Bis Katharinas Cousine fragte: „Warum baut ihr nicht die Wirtschaft um?“ In den achtziger Jahren ist aus dem Leinreiterhaus eine Gastwirtschaft geworden. Das Haus gehörte den Eltern und wurde als Gastronomiebetrieb verpachtet. Aktuell stand es leer.

Heller und großzügiger Umbau

Der dunkle riesige Gastraum in der Scheune präsentierte sich vor der Sanierung ohne natürliche Belichtung, mit schwarz getünchtem Balkenwerk, Zapfanlage und weiß gekachelter Großküche im Erdgeschoss – niemand konnte sich hier schönes Wohnen vorstellen.

Saniertes Fachwerkhaus mit offener Küche
Die Küche wurde geplant als gehörte sie zur Architektur – schlicht und weiß. Hingucker sind Brezelfrau und Melonenmann von Freund und Illustrator Jan Buchczik. Fotos: Ulrich Helweg/Produktion und Text: Carola Baumgarten

Hell, licht und großzügig sollte das neue Familienrefugium sein. Angesichts der aussichtslosen Suche blieb schließlich genau das daraus zu machen. Das zweite Kind war unterwegs, die Familie einigte sich auf eine Sanierung des Fachwerkhauses.

Hilfe vom Profi beim Kulturdenkmal

Saniertes Fachwerkhaus mit Terrasse als Zentrum zwischen Scheune und Fachwerkhaus
Der Hof ist Garten, Terrasse, Spielplatz und im Sommer das Zentrum des Familienlebens. Gern wird die Tafel verlängert für Feste mit Eltern, Geschwistern und Freunden. Fotos: Ulrich Helweg/Produktion und Text: Carola Baumgarten

Das Fachwerkhaus stand als Kulturdenkmal unter Ensembleschutz. Es wurde 1505 als Unterkunft für Leinreiter gebaut, die mit ihren Pferden die Schiffe stromaufwärts zogen. Im Jahr 1837 entstand die Scheune als Anbau für die Unterbringung und Versorgung der Tiere.

Den angehenden Bauherren war klar, dass solch ein Umbau ohne professionelle Hilfe nicht gelingen konnte. Es musste für die Sanierung des Fachwerkhauses also ein Profi her – einer, der sich mit Baudenkmälern und Denkmalschutzbehörden auskannte.

Im Internet fand das Paar das Büro für Architektur und Denkmalpflege von Bastian Völler. Schnell war klar, dass beide Parteien zusammen arbeiten wollten. „Wenn man sich versteht und vertraut, dann wird das die einfachste Baustelle der Welt“, sagt Bastian Völler.

Neu strukturierter Wohnraum im sanierten Fachwerkhaus

Der Plan war, die privaten Räume der Familie im sanierten Fachwerkhaus unterzubringen und in der Scheune einen großen Familienraum für die gemeinsame Nutzung zu schaffen. Die historisch überlieferte Kleinteiligkeit des Fachwerkbaus war durch die gastronomische Nutzung aufgelöst worden. Allerdings wollte man diese wiederherstellen, um auf die Familienbedürfnisse einzugehen.

Wohnzimmer im sanierten Fachwerkhaus
Das sanierte Fachwerkhaus ist Rückzugsort, hier sind die Räume klein und gemütlich wie das Wohnzimmer. Diesen Kontrast zur Weite der Scheune schätzen die Bauherren sehr. Fotos: Ulrich Helweg/Produktion und Text: Carola Baumgarten
Offener Essbereich im Fachwerkhaus
Die Kombination des Weiß der Wände und dem hellgrauen Estrichboden schafft ein lichtes Farbkonzept im Fachwerkhaus. Fotos: Ulrich Helweg/Produktion und Text: Carola Baumgarten
Offener Wohnbereich – Kochinsel – saniertes Fachwerkhaus
Durch die neue Raumstruktur im Fachwerkhaus kann sich die ganze Familie frei entfalten. Fotos: Ulrich Helweg/Produktion und Text: Carola Baumgarten

Der Architekt teilte den schmalen, lang gestreckten Baukörper auf beiden Etagen in drei Segmente. In der Mitte befindet sich jeweils ein Bad, im Erdgeschoss flankiert vom Wohnraum und einem Kinderzimmer, im Obergeschoss vom Schlafraum und dem zweiten Kinderzimmer.

„Keine Wand blieb stehen“, beschreibt Nicolas Kremershof die radikale Neustrukturierung des Fachwerkhauses und der Scheune. „Und alles ist auch noch nicht fertig. Für unser drittes Kinderzimmer werden wir das Dach über unserem Schlafraum ausbauen.“

Deckenbalken des Fachwerkhauses mit Dachflächenfenster
Durch die Deckenbalken des Fachwerkhauses fällt das Tageslicht der Dachflächenfenster – auch im Kinderzimmer. Fotos: Ulrich Helweg/Produktion und Text: Carola Baumgarten

Lichtspiele im Großraum mit Galerie

Im Vergleich zum Fachwerkhaus erfuhr die Scheune räumlich eher dezente Veränderungen. Die Galerie, auf der ehemals die Gäste bewirtet wurden, blieb mit kleinen Maßkorrekturen erhalten. Die Treppe hinauf hat der Architekt vom Giebel weg in den Raum gedreht, um auf der Wandfläche zum Hof Platz für eine große Terrassentür zu gewinnen.

Galerie des Fachwerkhauses in U-Form
Die Galerie wurde in U-Form angelegt. Wie eine Installation belichtet die neunteilige Pendelleuchte den Raum über zwei Etagen. Fotos: Ulrich Helweg/Produktion und Text: Carola Baumgarten

Für die Umnutzung der Scheune brauchte es vor allem einen Plan für das Licht. „So dunkel, kaum Tageslicht – wie soll das je hell und wohnlich werden?“ hatte sich Katharina damals nach der Besichtigung gefragt.

Bastian Völler schnitt vier Fenster in jede der beiden Dachschrägen, durch die das Tageslicht über die Galerie hinweg bis hinunter in den Essbereich fällt. Die Küche mit frei stehendem Arbeitsblock wurde unter der Galerie eingerichtet. Hier sorgen Deckenspots und Lichtbänder für optimale Verhältnisse.

Als Scheune erkennbar

Die Scheune sollte mit homogener Fassade als Scheune erkennbar bleiben. Das war eine Auflage der Denkmalschutzbehörde. Katharina und Nicolas Kremershof wünschten sich eine großzügige, weite Öffnung zum Hof hin und auf der Galerie zusätzliche Fenster. Architekt Völler brachte beide Interessen unter einen Hut, indem er die Auflattung der Fassadenverkleidung über einen Teil der neuen Fensterelemente laufen ließ.

Die lichtgrau lasierte geradlinige Holzfassade der Scheune steht in schönem Kontrast zum kleinformatigen Schwarz-Weiß-Raster des Fachwerkhauses. Ein helles Grün setzt mit den Rahmen der Fenster und den Wangen der Treppe außen wie innen sparsam Akzente.

Neue Dämmung fürs Fachwerkhaus

„Kaum zu glauben, hier ist mein Urgroßvater aufgewachsen mit zehn Geschwistern, dann kam der Hof in andere Hand und jetzt ist es unser Familienreich“, freut sich Katharina Kremershof über den glücklichen Ausgang der wechselvollen Geschichte. Die Bauherren hatten, wo es möglich war, Eigenleistung geplant und konnten dabei auf die Familie setzen. Eine der größten eigenen Leistungen war die Innendämmung des Fachwerkhauses.

Die Außenwände wurden mit Schilfrohrmatten abgespannt und der Hohlraum dazwischen mit Blähton-Kugeln verfüllt.

Umbau mit Unterstützung der Familie

„Vor allem ohne meinen Schwiegervater hätten wir das nicht geschafft. Er war jede freie Stunde auf der Baustelle,“ erzählt Nicolas. Das war ein gutes Gefühl für die Baufamilie, wenn das Projekt mal mehr Energie fraß als der Alltag übrig ließ.


Saniertes Fachwerkhaus Umbau Daten:

Bauzeit: Fachwerkhaus 1505, Scheune 1837, Kulturdenkmal mit Ensembleschutz Umbauzeit: Beginn Juni 2019, Einzug Juli 2020, Fertigstellung August 2021
Maßnahmen zur Energieeffizienz: Dämmung der Dächer mit Zellulose, Dämmung des Fachwerkes mit Schilfstrohmatten und Blähton, Fußbodenaufbau mit Dämmung
Heizung: Gasbrennwerttherme
Umbaukosten: ca. 2.500 Euro/m2
Wohnfläche: 210 m2 Grundstück: 200 qm2
Architekt: Büro für Architektur und Denkmalpflege, Dipl. Ing. Bastian Völler,
Altstadt 14, 63654 Büdingen, Tel. 06042/5339400, mail@architektur-denkmalpflege.net


Alle Fotos: Ulrich Helweg.
Produktion und Text: Carola Baumgarten.

Das könnte Sie auch interessieren