
Etwas komplizierter als der Austausch des Heizkessels ist die Dämmung der Gebäudehülle. Sie ist jedoch ohne Alternative. Denn sie senkt ab sofort die Heizkosten, steigert die Behaglichkeit und erhöht den Wert des Hauses. Außerdem schützt sie vor Schimmel.
Wer heute sein Haus dämmen will, muss ziemlich dickfellig sein: „Wahnsinn Wärmedämmung“, „Verdämmt in alle Ewigkeit“, „Die große Volksverdämmung“ – so und noch origineller liest und hört er es in den Medien. Da wird ihm eingeredet, dass seine Heizkosten kaum oder gar nicht sinken werden, dass er sich auf Schimmel im Haus freuen dürfe, dass er sein Gebäude verunstalte mit umweltschädigenden Baustoffen, Sondermüll in spe, der noch dazu brenne wie Zunder.

Altbau, Kaltbau
Unter Bauphysikern spricht man von „Dämmmythen“. Manche davon halten sich auch deswegen hartnäckig, weil Hausbesitzer sie gerne hören. Denn es ist etwas anderes, ob lediglich der Kessel im Heizungskeller ausgetauscht oder ob das ganze Gebäude zur Baustelle wird. Hinzu kommt Unkenntnis. Dass Dämmung sich nicht lohnt, glaubt man umso leichter, je weniger man über seinen eigenen Energieverbrauch weiß – und über den des Nachbarn im Neubau nebenan. Sonst würde man zumindest nachdenklich werden. Nicht ganz unschuldig daran ist laut Dipl.-Ing. Werner Eicke-Hennig vom IWU, dem Institut Wohnen und Umwelt e.V. in Darmstadt, die abstrakte Sprache der Behörden und Förderinstitutionen. Und wirklich, wer kann sich auf Anhieb etwas unter „Primärenergie“ vorstellen, deren Verbrauch man unbedingt senken soll? Der Ansatz der „Hessischen Energiesparaktion“, von Eicke-Hennig initiiert, ist dagegen denkbar unkompliziert: Man entnimmt der Heizrechnung die Anzahl der Liter Öl oder der Kubikmeter an Gas, die man übers Jahr verfeuert hat, und teilt sie durch die Wohnfläche. Ab 20 Litern beziehungsweise Kubikmetern pro Quadratmeter und Jahr springt die hessische „Energiespar-Ampel“ auf Rot. Rot heißt nicht, dass man jetzt, sofort unbedingt etwas tun muss, sondern dass man von der Modernisierung kräftig profitieren wird. Kommen die „Dämmkritiker“ zu einem anderen Ergebnis, liegt das an einem nicht ganz korrekten Rechenverfahren. Am meisten bringt der nachträgliche Wärmeschutz bei frei stehenden Einfamilienhäusern mit eher dünnen und extrem wärmedurchlässigen Wänden aus mineralischen Baustoffen – Vollziegeln, Betonsteinen, Beton, Kalksandsteinen –, folglich bei vielen Häusern der 1950er bis 1970er Jahre.
Ja aber … die Wandatmung!
Ein weiterer Dämmmythos ist der vom Schimmelbefall durch Außendämmung. Hier schwingt die irrige Vorstellung von der „atmenden Wand“ mit. Sie geht auf den Hygieniker und Chemiker Max von Pettenkofer (1818 – 1901) zurück, der in dieser Sache jedoch Opfer seines fehlerhaften Versuchsaufbaus geworden war. Die Wanderung von Luft- und von Wassermolekülen (Diffusion) durch die Bausubstanz ist in Wirklichkeit minimal, ein ordentlicher Luftaustausch kann nur über die Fenster stattfinden. Anfällig für Schimmel sind im Gegenteil die Häuser ohne Wärmeschutz, da die in der Raumluft enthaltene Feuchte an den rasch auskühlenden Außenwänden kondensiert und optimale Wachstumsbedingungen für den Pilz schafft. Stimmt der Wärmeschutz, bleiben die Innenseiten der Außenwände behaglich warm, trocken und schimmelfrei.

Alles drin
Bewährt hat sich zur kompletten Isolierung von außen das Wärmedämm-Verbundsystem oder WDVS. Wärmebrücken wie die Heizkörpernischen unter den Fenstern oder die einziehenden Betondecken werden mit einbezogen und gleich mit beseitigt. Ein WDVS besteht aus Dämmplatten, die mittels Mörtel und Dübeln auf der Außenwand oder auf dem alten Putz befestigt und anschließend mit Armierungsputz sowie Armierungsgewebe und Oberputz versehen werden. Die Armierung dient dazu, Spannungsrisse zu vermeiden, schließlich ist die Oberfläche großen Temperaturschwankungen ausgesetzt. Dennoch beträgt die Lebensdauer von Wärmedämm-Verbundsystemen laut dem Fraunhofer Institut für Bauphysik (Fraunhofer IBP) 40 bis 60 Jahre. Die Wahl des Dämmstoffs hängt in erster Linie vom Budget ab. Auch der Untergrund spielt eine Rolle. Vom günstigen Polystyrol über Steinwolle, Mineralschaum, Glasschaum, Kork oder Hanf bis zur Holzweichfaserplatte reicht das Angebot. Aufgrund des niedrigen Preises werden 85 von 100 Modernisierungen mit Platten aus expandiertem Polystyrol ausgeführt (EPS; bekannter unter dem Markennamen Styropor®). Die druck- und feuchtebeständigeren Platten aus XPS (extrudiertes Polystyrol) oder PUR (Polyurethanschaum) nimmt man bevorzugt zur Keller- und zur Dachisolierung. Das Dämmvermögen von Mineralwolle ist etwas geringer als das der Hartschäume, größere Schichtdicken sind auch bei Verwendung von Mineralschaum- oder von Korkplatten, aus aufgeblähtem Korkschrot, erforderlich.

Das A&O: Planung
Nun gilt es, dem Gebäude sein individuelles WDVS auf den Leib zu schneidern. Rundherum, inklusive des gelegentlich vergessenen Kellersockels, der eine bis in den Erdboden reichende Dämmung benötigt (Perimeterdämmung). Für die Neubefestigung von Regenfallrohren, Briefkästen, sogar von Markisen, und für kritische Stellen wie Rollladenkästen oder Fensterlaibungen gibt es Sonderlösungen. Ist es erforderlich, können auch die Dachüberstände verlängert werden: So fällt die Dämmschicht nicht weiter auf und die Fassade hat ihren Regenschutz, der es Algen schwieriger macht, sie zu besiedeln.

Alles zu seiner Zeit
Alle reden vom teuren Strom, dabei sind es die Ausgaben für Wärme, die die Haushalte belasten. Im Zeitraum von 2000 bis 2013 sind sie laut der Deutschen Umwelthilfe e.V. um 100 Prozent gestiegen (www.duh.de). Energetische Modernisierung ist dringend geboten und Hausbesitzer, die etwas tun wollen, aber noch nicht genau wissen, was, werden zu heftig umworbenen Kunden. So erklären sich nebenbei einige Beobachter die „Anti-Dämm-Kampagne“ der letzten fünf Jahre. Seine Macht als Kunde aber kann der Modernisierer erst mit Unterstützung eines qualifizierten, unabhängigen Energieberaters richtig nutzen. Und indem er sich zu nichts drängen lässt, nicht übereilt handelt – sondern nach dem guten, alten Motto „Alles zu seiner Zeit“. Eicke-Hennig: „Energiesparmaßnahmen am Haus sollte man immer dann ausführen, wenn ohnehin am Kessel oder einem Außenbauteil eine Sanierung ansteht. Mit diesem einfachen Fahrplan kann man nichts verkehrt machen.“
Interview
„Fast immer wirtschaftlich“
Dipl.-Ing. Werner Eicke-Hennig vom IWU, dem Darmstädter Institut Wohnen und Umwelt e.V., ist als streitbarer Anwalt der energetischen Modernisierung bekannt. Er leitet die „Hessische Energiesparaktion“, die das Wissen über die Möglichkeiten zur Heizenergieeinsparung vor allem Haueigentümern vermittelt (www.energiesparaktion.de). Wir haben ihn zu einigen der beliebtesten Mythen rund ums Dämmen befragt.
livvi: Herr Eicke-Hennig, geht es um Wärmedämmung, wird in den klassischen Medien, aber auch im Web immer wieder behauptet, sie lohne sich nicht. Was ist dran?
Eicke-Hennig: Dämmstoffe sind die billigsten Baustoffe. Seitdem der Energiepreis 50 Cent pro Liter Heizöl oder Kubikmeter Erdgas überschritten hat, sind fast alle Dämmmaßnahmen wirtschaftlich. Selbst bei Gebäuden der achtziger und neunziger Jahre lohnt eine Dämmung.
livvi: Oft genug werden Rechenbeispiele gebracht, in denen eine größere Investition nur bescheidene Einsparungen erbringt. Der Berliner „Tagesspiegel“ bezog sich dabei sogar Anfang 2014 auf eine Studie des IWU.
Eicke-Hennig: Nicht richtig hingeschaut hat der „Tagesspiegel“. Die Aussage der IWU-Studie war: Seine Mehrkosten fährt das WDVS auf jeden Fall herein. Das waren bei dem Beispielgebäude 6.750 Euro. Darüber hinaus sind nach 25 Jahren auch 40 Prozent der Kosten der Putzerneuerung durch die Heizkosteneinsparung bezahlt. Wo bitte bekommt ein Hauseigentümer sonst seine Putzerneuerung bezahlt? Die Energiesparmaßnahme finanziert also mehr, als sie eigentlich muss. Und die Dämmung hält ja länger als 25 Jahre.
livvi: Wie steht es mit der angeblichen Brandgefahr durch Hartschaum? Und mit dem Problem der Entsorgung?
Eicke-Hennig: Brände sind immer Aufreger. Sachlich betrachtet: Brennbare Baustoffe gibt es viele in unseren Häusern. Entscheidend ist das Risiko. An den jährlich 180.000 Bränden sind in nur vier bis sieben Fällen Polystyrol-Dämmstoffe beteiligt. Wer dieses kleine Risiko fürchtet, hat mit Steinwolle eine unbrennbare Alternative. In der Entsorgung haben Dämmstoffe gegenüber Massivbauabbruch einen Vorteil: Sie sind recycelbar. Für Polystyroldämmung garantiert das neue CreaSolv®-Verfahren sogar die Rückführung des Styrols in die erneute Produktion.
livvi: Und wie sieht es mit der Veralgung durch Wärmedämmung aus?
Eicke-Hennig: Das Problem der Veralgung betrifft heute nicht nur etwa 10 bis 20 Prozent der gedämmten Fassaden. Veralgung von Bauten nimmt seit 30 Jahren wieder zu, weil durch die Entschwefelung der Kraftwerke unsere Luft für Algen verträglicher wurde. Zuerst waren es die Dächer, dann gedämmte Fassaden, jetzt sind auch ungedämmte Wände, Verkehrsschilder, Zäune, Kirchtürme und so weiter bewachsen. Schäden an der Fassade richten Algen übrigens keine an. Konstruktive und chemische Gegenmittel gibt es, an umweltverträglicher Abhilfe wird geforscht.
„Mein Ratgeber rund ums Dach“, Broschüre, 54 S., hg. von der Paul Bauder GmbH & Co. KG, kostenlos, Bestellung per E-Mail unter stuttgart@bauder.de oder Download unter www.ratgeberdach.de