
Gibt es im frischbezogenen Eigenheim Probleme mit der Wohngesundheit, sind oft die Wandbeschichtungen Quelle des Übels. Dabei findet man längst alternative Wandanstriche in großer Auswahl.
Wände sind Klimaanlagen, das wissen nicht nur Baubiologen und Wohnmediziner, und zwar einfach aufgrund ihrer großen Fläche. Rund um die Uhr geben sie Stoffe an die Raumluft ab, nehmen Stoffe auf, und dieses Geben und Nehmen kann sich günstig oder ungünstig auf die Wohngesundheit auswirken. Klagen Bewohner über brennende Augen, Müdigkeit, Kopfschmerzen, Übelkeit und verschwinden diese Symptome beim Verlassen bestimmter Räume schnell wieder, sind oft die Wandbeschichtungen schuld, die Tapeten oder Farben.

Vier Komponenten
Farben bestehen für gewöhnlich aus vier Komponenten, nämlich aus Lösungsmitteln, Bindemitteln, Pigmenten und Zusatzstoffen. Lösungsmittel machen sie überhaupt erst verarbeitbar und verflüchtigen sich größtenteils nach dem Auftragen; Bindemittel sorgen, wie der Name schon sagt, für das Aneinanderhaften der Bestandteile, für das Ausbilden eines Films; die Pigmente, die Farbstoffe, liefern den gewünschten Farbton, die Zusatzstoffe oder Additive weitere erwünschte Eigenschaften, zum Beispiel bessere Fließfähigkeit, schnelleres Trocknen, Schutz vor Schimmel. Einige dieser Komponenten können es in sich haben.

Meistverkauft, aber …
Verkaufsschlager in den Baumärkten ist die Kunststoff-Dispersionsfarbe, weil sie leicht zu verarbeiten ist und hohe Deckkraft besitzt. Hauptbestandteil ist Wasser. Ihre Bindemittel sind etwa synthetische Harze wie Acrylate oder Polyvinylacetate, die zwar in Wasser nicht löslich sind, aber Dispersionen bilden, sich in Form kleinster Harztröpfchen verteilen. Als wässrige Lösungen sind Dispersionsfarben schimmelanfällig, deswegen werden ihnen Biozide zugegeben, wie zum Beispiel das allergieauslösende Isothiazolinon. Die Harze selber setzen Formaldehyd frei, das neben den oben genannten Beschwerden überdies wahrscheinlich Krebs verursachen kann.

Wandanstriche mit edler Blässe
Für alternative Wandanstriche haben sich lange nur die Denkmalpfleger interessiert, für die Kalkfarben zum Beispiel. Kalkfarben (Bindemittel: Kalk) können nur eine kleine Menge an Pigmenten aufnehmen, liefern so eher pastellige, blasse, dennoch reizvolle Tönungen. Alkalisch und damit schimmelresistent, sind sie allerdings wenig abriebfest. Abhilfe schafft hier die Zugabe des Milchbestandteils Kasein, enthalten in Magermilch oder Magerquark. Mit dem Nachmischen historischer Anstrichmittel haben sich die Hersteller von Naturfarben nicht begnügt, sondern aus mineralischen und pflanzlichen Bestandteilen eine breite Palette an Produkten geschaffen. Dabei dienen ätherische Öle als Lösemittel, Naturharze, wie Dammarharz, als Grundlage von Dispersionsfarben, die anders als Kalk-, Kalkkasein- und Silikatfarben (Bindemittel: Silikat) auf nahezu jeden Untergrund aufgetragen werden können.

Feuchteausgleich
An den rein mineralischen Farben schätzen Denkmalpfleger und Baubiologen besonders deren Diffusionsoffenheit. Ungehindert können Wassermoleküle in die Farb- und die oberen Putzschichten eindringen und, sobald die Raumluftfeuchte unter einen bestimmten Wert gesunken ist, wieder den Rückweg antreten.

Auf diese Art wird ganz ohne Einsatz von Technik ein angenehmes und gesundes Raumklima aufrechterhalten. Wählt man als Putz Lehm, kann der sogar die Luftschadstoffe, die die Wassermoleküle transportieren, aufnehmen und binden, also wie ein Filter wirken. Mit Kelle, Pinsel und Rolle das Klima retten – in den vier Wänden geht das.

Infos
Auf der Suche nach unbedenklichen und gemäß ökologischen Kriterien produzierten Anstrichmitteln sollte man nicht einfach nach allem greifen, was die Etiketten „Bio“ oder „Natur“ trägt. In manchen Naturfarben sind zum Beispiel synthetische Fungizide enthalten. Weitere problematische Stoffe sind Weichmacher (Phthalate), die die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen und ungeborenes Leben schädigen können, sowie Schwermetalle (z. B. Kobalt, Cadmium), erbgut- und ebenfalls fruchtschädigend.
Es gilt, die Produktdeklarationen genau zu lesen. Bestehen dennoch Unklarheiten, sind die Hotlines der Hersteller eine Hilfe. Die Antworten, die Prüfer der Zeitschrift „ökotest“ bekamen, hatten allerdings nicht immer etwas mit dem zu tun, was sie in ihren Proben fanden (siehe ökotest Jahrbuch 2016). Wer wirklich sicher gehen will, sollte Testberichte studieren und eventuell die Verbraucherzentrale fragen.
Weitere Informationen findet man auf den Internetseiten des Umweltbundesamtes. Darüber hinaus können Labels eine gewisse Orientierung bieten:
vergeben vom Umweltbundesamt und dem RAL-Institut; erlaubt in gewissen Grenzen Formaldehyd und Konservierungsmittel; ausgezeichnet werden die jeweils Besten einer Produktgruppe, mit den geringsten Schadstoffgehalten.
EU-Ecolabel – Europäisches Umweltzeichen
vergeben vom Umweltbundesamt und dem RAL-Institut; setzt strenge Obergrenzen für den Gehalt an Inhaltsstoffen wie Bioziden, Schwermetallen, Formaldehyd, VOC insgesamt usw.